Nacht der Seelen - Armintrout, J: Nacht der Seelen
widerborstig, es kämpfte gegen mich, sodass ich es, gleichgültig, was es auch war, umso mehr wollte.
„Carrie“, hörte ich Nathan hinter mir sagen. „Carrie. Bitte hör auf jetzt.“Ich ignorierte ihn, ich achtete weder auf seine leidenschaftlichen Bitten noch auf die Dahlias. Ihre wurden immer unverständlicher, bis ich nur noch sinnloses ängstliches Brabbeln hörte. Dennoch sog ich die blaue Essenz in mich auf, ich spürte sie in meinen Venen und stellte mir vor, wie sie weißglühend unter meiner Haut brannte.
In meinen Ohren fing es an zu rauschen. Ich sah durch Dahlias Augen hindurch. Es war ein Betrachten, ohne etwas zu sehen, ich bewegte mich durch die Realität zurück, wie ich es noch nie gesehen hatte. Meine Gedankenreise fing in dem Augenblick an, als ich sie biss, über ihre Freude, während sie Nathan häutete – sie hatte gelacht, als er schrie, und dafür wollte ich sie gern noch einmal töten –, zurück bis zu ihren Tagen als Cyrus’ Lieblingsvampir. Die Bilder glitten immer schneller durch mein Gehirn. Immer mehr Zeit verstrich in der Vergangenheit, die sich der Geschwindigkeit ihrer Gedanken unterordnen musste. Es war Dahlias Leben, das vor ihren Augen ablief, stellte ich fest. Als mir dies klar wurde, verlangsamte sich alles. Ich sah einen Mann, einen Priester in weißem und goldenem Ornat, und er schien so groß wie Gott selbst, als er sich zu der Bank hinunterbeugte und die Oblate auf Dahlias Zunge legte. Der Geschmack war scharf, so scharf wie der plötzliche Schmerz in ihren kleinen Händen, die in Handschuhen steckten. Bevor sie hinunterschaute, wurde der Priester bleich und das Mädchen neben ihr schrie auf. Sie konnte die Hostie nicht hinunterschlucken – es war ihre Erstkommunion –, als sie paralysiert auf ihre Hände schaute, auf die plötzlich erscheinenden Wunden in den Handgelenken. Bäche aus Blut strömten auf ihr reines weißes Kommunionskleidchen.
Das Weiß ihres Kleides war von blendender Intensität, es schob sich über die blutigen Flecken in meiner Vorstellung, bis alles in meiner Vision gleißend hell war. Dann durchdrangmich das Weiß und ich konnte wieder klar sehen. Ich sah mich im Raum um – es dauerte eine Weile, bis ich wieder wusste, wo ich war und was geschehen war – und alles schien nun schärfere Konturen anzunehmen. Ich hatte das Gefühl, als könnte sich das Muster der abblätternden Tapete in meine Haut ritzen, wenn ich sie berührte.
Dahlia winselte und bettelte immer noch, aber es fiel mir leicht, sie zu ignorieren. Wahrscheinlich, weil sie tot in meinen Armen lag. Wirklich und wahrhaftig tot. Ich war mir nicht sicher, woher das Wimmern kam, aber es war auch gleichgültig. Ich stellte fest, wenn ich mich konzentrierte, konnte ich es ausblenden.
Carrie, was hast du getan? Ekel, Angst und ein ganz klein wenig Bewunderung, die wieder dem Ekel wich, drang durch die Blutsbande von Nathan zu mir hindurch.
„Ich weiß es nicht“, sagte ich laut. „Ich habe sie getötet.“ „Du hast sie nicht nur getötet.“ Die Stimme, die aus dem Türrahmen zu mir herüberdrang, ließ mich aufschauen. Jacob Seymour beugte sich zu mir herunter, aber er schien mir nicht mehr so göttlich und beeindruckend wie bisher. Im Gegenteil, er schien böse und vielleicht ein wenig traurig.
Nachdem ich Dahlias Körper ohne viel Aufhebens auf den Boden fallen gelassen hatte, stand ich auf und sah ihm ins Gesicht. „Wirst du mich töten?“
Auf seinem windgegerbten Gesicht erschien ein unheimliches Lächeln. Die Trauer verschwand aus seiner Haltung, nur Wut sah man ihm noch an. „Ich werde dich nicht einfach nur töten.“
Ich schüttelte den Kopf. „Ich werde es nicht zulassen, dass du mir die Seele wegnimmst.“
„Es bleibt dir keine andere Wahl!“, röhrte er und streckte die Hand aus, um mich an der Kehle zu greifen und michhochzuheben. Er warf mich durch die Tür, in den zerstörten Salon hinein. Ich landete auf einem Sessel, der umgeworfen worden war, und der grazile Bogen der gepolsterten Armlehne knallte gegen meinen Rücken. Wenn ich ein Mensch gewesen wäre, hätte er mir wahrscheinlich das Rückgrat gebrochen.
„Du bist eine Närrin!“, rief er und eilte mir nach. Ich konnte nicht schnell genug aufstehen, und er packte mich wieder, dieses Mal am Hand- und Fußgelenk. Als er mich dieses Mal in die Luft warf, wirbelte ich herum. Ich konnte mich nicht sortieren, bevor ich hinabfiel, und knallte auf ein Beistelltischchen mit Marmorplatte. Jetzt spürte
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