Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Nacht der Versuchung

Nacht der Versuchung

Titel: Nacht der Versuchung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
Vom Netzwerk:
seinem großen Glück trieb gerade dieser Reifen vorbei, der ihm das Leben rettete?
    »Macht, daß ihr hinauskommt!« sagte Lopez grob. Er deckte den Fremden zu und griff zu seiner Flasche Wein, nachdem die Fischer gegangen waren. Dann setzte er sich an das Bett, gab noch einmal Kreislaufmittel, umwickelte den Kopf mit Binden und wartete darauf, daß das Bewußtsein des Fremden wiederkehrte, daß er ansprechbar wurde und erklären konnte, was mit ihm geschehen war.
    Äußerlich gab es keine Anhaltspunkte dafür, wer es sein konnte. Als der Fischer Cortez ihn aus dem Meer holte, hatte er nur noch eine Hose und ein Hemd an. Aber an seiner Hand trug er einen goldenen Trauring, und rechts tragen nur die Deutschen einen Ehering, dachte Dr. Lopez. Alle anderen steckten ihn an die linke Hand. Ob er ein Deutscher ist? Dann gehört er zu den Bewohnern jener Villen an der Costa Brava, von denen die Schiffer so viel zu berichten wußten. Zu den reichen Deutschen, die aus Spaniens wilder Felsenküste eine Goldgrube machten.
    In der Nacht, genauer gegen Morgen, schlug der Fremde die Augen auf. Dr. Lopez zuckte hoch, als sich der Verletzte neben ihm bewegte.
    »Hören Sie mich?« fragte Lopez zunächst auf spanisch. »Bitte, bleiben Sie ganz ruhig liegen. Ihre Hirnschale ist angeknackst. Sehen Sie mich? Wenn Sie nicht antworten können, so schließen Sie die Lider …«
    Der Fremde sah Dr. Lopez aus weiten blauen Augen an. Er bewegte ganz leicht den Kopf, sah sich im Zimmer um und ließ den Blick zu dem alten Arzt zurückkehren. Seine Lippen bewegten sich, und dann kam ein Laut hervor, zunächst unkenntlich, dann, nach drei neuen Ansätzen, deutlicher in den Worten.
    »Was ist denn?« fragte der Fremde. »Wer sind Sie?«
    Dr. Lopez atmete auf. Der Unbekannte sprach englisch. Das Geheimnis begann sich langsam zu lüften.
    »Ich bin Carlos Lopez. Sie sind verletzt, einer meiner Fischer hat Sie aus dem Meer gezogen. Sind Sie ins Meer gestürzt, und wo geschah das?«
    »Ins Meer?« Die Augen des Verletzten wurden noch größer. »Ich war im Meer? Wieso denn?«
    »Sie hingen in einem Autoreifen.«
    »Autoreifen?«
    Der Fremde wollte sich aufrichten, aber Dr. Lopez drückte ihn auf das Bett zurück. »Still liegen!« befahl er auf englisch. »Ganz flach! Wo kommen Sie her?«
    Der Fremde schien zu überlegen. Dann zuckten seine Augen.
    »Ich weiß es nicht«, flüsterte er.
    »Wie heißen Sie?«
    Wieder Schweigen. Dann ein leichtes Schulterzucken. »Mike, oder so ähnlich. Ich weiß es nicht … Ich bin leer … vollkommen leer …«
    Ein Zucken lief durch den langgestreckten Körper, die Augen drehten sich nach oben. Er verlor wieder die Besinnung.
    Dr. Lopez nahm die Flasche und trank den letzten Rest, indem er sie einfach an die Lippen setzte. Dann ging er hinaus in den fahlen Morgen und sah, wie die Fischer bereits wieder an ihren Booten standen und die Netze zusammenlegten. Das Meer war ruhig, die Sonne kletterte über den Horizont, der Himmel war streifig. Es würde ein heißer Tag werden.
    »Was macht er?« rief Juan Cortez vom Strand herüber. »Ist er aufgewacht, Doktor?«
    Lopez nickte und schob den ausgefransten Strohhut in den Nacken.
    »Ja!« rief er zurück. »Aber du hättest ihn im Meer lassen sollen, den kriege ich auch nicht mehr hin!«
    Die Fischer schüttelten die Köpfe und wandten sich wieder ihren Netzen zu. »Es wäre das erstemal, daß Lopez etwas nicht heilen kann«, sagte Cortez zu den anderen. »Ich glaube es nicht. Er will es nur ein bißchen dramatisch machen. In Wirklichkeit weiß er selbst, daß er schon gewonnen hat. Wetten, daß der Fremde schon im Bett sitzt und Eier ißt?«
    Dieses Mal irrten sich die Fischer von Baleanès. Dr. Lopez wußte wirklich keinen Rat mehr. Er saß am Bett des Unbekannten und betrank sich wie in alten Zeiten. Gegen Mittag war er so weit, daß er zu grölen begann wie in einer Hafenkneipe. Dann fiel er um, lag neben dem Besinnungslosen und schnarchte wie ein Wasserbüffel. Er merkte nicht, wie der Fremde wieder aufwachte, sich langsam aufrichtete, sich umblickte und mühsam aus dem Bett wälzte. Indem er sich mit beiden Händen an der Mauer entlangtastete, ging er zum Tisch, trank wie ein Verdurstender einen der immer mit Wein gefüllten Tonkrüge Dr. Lopez' halb leer, schwankte zurück, ließ sich neben dem Schnarchenden wieder aufs Bett fallen und schlief ein.
    Am Abend wachte Dr. Lopez auf und beugte sich über den regungslosen Fremden. Er schnupperte, verzog die Nase,

Weitere Kostenlose Bücher