Nacht des Verfuehrers - Roman
zusammen und starrte zurück. Beim Zeus, er war schöner, als es einem Mann hätte erlaubt sein dürfen. Und – wie ihr langsam aufging – auch raffinierter. »Sie wollen mich so lange verärgern, bis ich mit der Antwort herausplatze, oder?«
Er setzte eine erstaunte Miene auf, aber das täuschte sie
keine Sekunde. Sie widerstand der Versuchung, die Augen zu verdrehen. Wenn er die Wahrheit so unbedingt wissen wollte, dann hatte er sie auch verdient. Sie wappnete sich gegen den Schmerz, den ihre alten Unzulänglichkeiten ihr bereiteten, und hüllte sich in ihr eisiges Schutzschild.
»Also gut, Sir. Ich bin sicher, dass ich Ihnen bei dem Kauderwelsch während unserer Hochzeitszeremonie an irgendeiner Stelle auch versprochen habe, Ihnen zu gehorchen. Bevor Sie mir noch befehlen, es Ihnen zu sagen, kann ich Sie also genauso gut gleich wissen lassen, was Ihr Titel Ihnen erkauft hat.« Sie holte tief Luft. »Mein Vater wollte, dass ich einen Lord heirate. Aber es gab in ganz England keinen, der so arm war, dass er mich gewollt hätte. Nicht einmal einen uralten Baron mit einer Schar von Enkelkindern. Ich bin ganz einfach nicht der Typ Frau, den die Männer heiraten wollen. Ich vermag einen Mann nicht zu besänftigen, wenn er aufgebracht ist. Ich kann ihn auch nicht in seinem Dünkel bestärken. Ich bin keine friedliche Zeitgenossin, keine gute Ehefrau oder huldvolle Gastgeberin, ich mag noch nicht einmal Babys. Meine einzige Chance auf eine Partie, die meine Eltern zufriedenstellt, bestand darin, einen Fremden zu heiraten und darauf zu hoffen, dass er mich meiner Mitgift – und ja, meiner Schönheit wegen – zumindest toleriert. Ich bin einfach nicht charmant.« Sie hatte sich all das tausendmal im Geiste gesagt, doch es laut auszusprechen war unvorstellbar schwierig, als lasse sie etwas Wirklichkeit werden, das bis jetzt nur ein Phantom gewesen war.
»Und was sind Sie dann?«, fragte der Baron.
»Ich glaube nicht, dass es ein Wort für mich gibt, aber was ich auf jeden Fall nicht bin, ist eine formvollendete –
oder wenigstens halbwegs brauchbare – Lady.« Alcy reckte das Kinn und wappnete sich gegen seine Reaktion.
Baron Benedek lehnte sich mit hochgezogenen Augenbrauen in seinem Stuhl zurück. »Ich gehe immer noch davon aus, dass ich es weit besser getroffen habe als erwartet«, sagte er in einem Tonfall, der sich recht unbekümmert anhörte.
War diese Sorglosigkeit durch nichts zu erschüttern? Alcy wusste nicht mehr, was sie denken sollte. Sie begnügte sich mit einem düsteren: »Sie kennen mich noch nicht.« Dann stach sie in das letzte Stück Fisch. Dennoch spürte sie, dass die Eisschicht um ihre Lungen, wenn sie schon nicht schmolz, doch zumindest Risse bekam – gerade groß genug, um ihr Herz wieder frei schlagen zu lassen.
»Sie mich auch nicht.« Der Baron warf einen Blick auf ihr Glas und goss nach. »Nehmen Sie noch etwas Wein. Er beruhigt die Nerven.«
Alcy, die nicht wusste, was sie sonst hätte tun sollen, trank. Der Baron sprach wieder in dieser lateinartigen Sprache, die er schon den ganzen Abend über benutzte, mit den Bediensteten. Sie räumten daraufhin den Tisch ab und deckten für den Braten.
Alcy hatte wieder das Gefühl, dass etwas nicht stimmte. Da schoss ihr ein Gedanke durch den Hinterkopf, und sie runzelte die Stirn. Lateinisch, nicht Ungarisch. Es traf zwar zu, dass das Banat noch nicht lange zu Ungarn gehörte, aber der Gedanke hatte sich eingeschlichen; und andere Kleinigkeiten, die sich den Nachmittag über zugetragen hatten, fielen plötzlich wie die Teile eines Puzzles an ihren Platz und formten ein Bild, das bestürzend, aber allzu logisch war.
Sie starrte ihr Gegenüber an und sah zum ersten Mal klar. Nein, er sah nicht wie der Mann auf der Miniatur aus. Nicht im Geringsten.
»Sie haben recht«, sagte sie. »Ich kenne Sie nicht einmal ein klein bisschen, denn Sie sind nicht Baron Benedek.«
Kapitel 3
Dumitru Constantinescu stutzte einen Augenblick, dann rief er den Dienstboten eine Order zu. Die Lakaien liefen aus dem Zimmer und zogen die Tür hinter sich ins Schloss. Er wandte den Blick wieder dem porzellanenen Puppengesicht seiner frisch angetrauten Ehefrau zu und sagte: »Was haben Sie gesagt?«
»Sie sind nicht Baron Benedek«, wiederholte sie, die Stimme nicht länger irritiert, sondern fest und sicher.
Dumitru verschränkte die Arme vor der Brust und holte Luft. Er wusste nicht, ob er sie, weil sie seinem Komplott so schnell auf die Schliche gekommen
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