Nacht-Mähre
die Hände auf die Augen. »Jetzt schon! Dann werde ich von meinem Ehemann überhaupt nichts mehr haben, genau wie es Irene mit Dor ergangen ist!«
»Bink kann den Teppich nehmen«, sagte Grundy. »Er muß sich sofort nach Schloß Roogna begeben.«
»Nein«, widersprach Chamäleon, »Bink weiß noch nichts davon, daß er König werden soll. Man muß ihn erst darauf vorbereiten.«
»Wir haben aber keine Zeit mehr zu verlieren! Die Mundanier marschieren morgen früh weiter, und die Nacht ist schon halb um!«
»Imbri und ich bringen ihn zurück«, entschied sie. »Unterwegs werden wir ihn über alles aufklären. Bis er auf Schloß Roogna angekommen ist, wird er im Bilde sein. Das will ich jedenfalls hoffen.«
Grundy schüttelte düster den Kopf. »Ihr seid jetzt die Königin, Ihr müßt es wissen. Aber wenn Xanth keinen König mehr haben sollte, wenn die Mundanier Schloß Roogna erreichen…«
»Xanth wird einen König haben«, erwiderte Chamäleon.
»Auf Eure Verantwortung«, murmelte der Golem.
10
Zauberkunststücke
Der Gute Magier hatte sich mit seiner Prophezeiung hinsichtlich der Ankunftszeit von Bink in Xanth nicht geirrt: In den frühen Morgenstunden verließen Bink und Arnolde das gefürchtete Mundania. Chamäleon lief auf ihren Mann zu, um ihn zu umarmen, während Imbri und das Tagpferd zurückhaltende Blicke mit dem Zentauren wechselten. Grundy stellte sie einander vor.
»Du bist gerade so, wie ich dich am liebsten habe, Dee«, bemerkte Bink nach ihrem Kuß. Er war ein etwas stämmiger, ergrauender Mann, der in seiner Jugend sehr kräftig gewesen war. Imbri erkannte ihn wieder; sie hatte ihm gelegentlich böse Träume überbracht.
»Dee?« fragte Grundy.
Bink lächelte. »Meine wandelhafte Frau hat einen eigenen Namen für jede ihrer Phasen. Dee ist völlig durchschnittlich, hat von nichts zuviel. Ich weiß gar nicht, warum ich sie überhaupt beachte.« Er gab ihr einen weiteren Kuß.
Arnolde war ein alter Zentaur mit Brille, der im Wald ziemlich deplaziert wirkte. Von Temperament und Ausbildung her war er Archivar, genau wie sein Freund Ichabod, einer, der Bücher und Papier in obskuren Kammern abheftete, wobei keiner so recht wußte, wozu das dienen sollte. Aber er war auch ein Magier, dessen Talent es ihm ermöglichte, sich überall mit einem magischen Kraftfeld zu umgeben, sogar in den entferntesten Gebieten Mundanias. Das erleichterte die Kontakte und den Handel mit diesem zurückgebliebenen Gebiet. In Xanth selbst schien er keine offen erkennbare Magie zu besitzen, weshalb sein Talent auch den größten Teil seines früheren Lebens über unerkannt geblieben war. In dieser Hinsicht glich er Bink, und die beiden schienen sich miteinander sehr wohl zu fühlen.
»Darf ich vielleicht den Grund dieses Empfangskomitees erfahren?« fragte Arnolde.
»Wir hatten eigentlich vor, die Nacht hier am Rande von Xanth zu verbringen, um uns dann binnen zweier Tage gen Süden zum Norddorf zu begeben.«
»Ha!« sagte Grundy. »Es gibt kein…«
»Bitte!« unterbrach Chamäleon den Golem. »Ich muß es ihm auf meine Weise beibringen.«
»Aber Humfrey hat mir befohlen, es ihm zu sagen!« protestierte der Golem eifersüchtig.
Zum Glück unterbrach der Zentaur dieses Geplänkel. »Darf ich vielleicht einen Kompromiß vorschlagen? Vielleicht gibt der Golem eine kurze Erklärung ab, danach kann Chamäleon uns den Rest auf ihre Weise erzählen.«
Chamäleon lächelte schwach. »Das scheint mir ein gerechter Vorschlag zu sein.«
»Also gut«, willigte Grundy knurrig ein. »Bink, Ihr seid jetzt König. Ihr müßt sofort auf Schloß Roogna zurückkehren. Ihr könnt den fliegenden Teppich dazu benutzen. Damit seid Ihr in einer Stunde am Ziel.«
»Ich? König?« rief Bink verwundert.
»Was ist denn mit König Trent passiert? Ich bin doch überhaupt kein Thronfolger!«
»König Trent ist krank«, sagte Chamäleon.
»Aber dann müßte doch unser Sohn Dor die Geschäfte übernehmen.«
»Dor ist ebenfalls krank«, sagte sie sehr sanft.
Binks Gesicht versteinerte. »Wie krank?«
»Zu krank, um König zu sein«, erwiderte sie. »Es ist eine Verzauberung. Wir haben noch keinen Gegenzauber finden können.«
»Aber der Gute Magier Humfrey kann doch bestimmt…«
Bink sah es ihrer ernsten Miene an. »Der auch? Dieselbe Verzauberung?«
»Und der Zombiemeister. Aber Humfrey hat uns gesagt, daß du tatsächlich ein Magier bist, einer, dem Magie nichts anhaben kann, und daß du die größte Chance hast, die Kette der
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