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Nacht ohne Erbarmen

Nacht ohne Erbarmen

Titel: Nacht ohne Erbarmen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Higgins
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rief Marco herbei, der irgendwo im Garten herumstöberte, und befahl ihm, den Mercedes zu holen. Dann nahm er mich beim Arm und führte mich ein Stück beiseite.
      »Wenn du so gut Klavier spielen könntest, wie du schießen
    kannst. Stacey…«
      »Es ist eine Schande, nicht wahr?« sagte ich. »Aber in einer Hinsicht hatte Mutter recht: Jeder Mensch ist für irgend etwas talentiert.«
      Er seufzte. »Geh mit Gott, mein Junge. Wenn du von der Cammarata zurückkommst, besuchst du mich wieder, ja?«
      »Das werde ich.«
      »Ich erwarte dich.« Er drehte sich um und streckte die Hand aus. »Oberst, vielen Dank.«
      Nachdem wir das Tor hinter uns gelassen hatten, zündete sich Burke eine Zigarette an. Im Aufflackern des Streichholzes bemerkte ich, daß ihm der Schweiß übers Gesicht strömte. Ich fragte mich, ob er wohl Angst gehabt hatte, aber das erschien mir unmöglich.
      »Alles in Ordnung?« fragte ich.
      Zuerst glaubte ich, ich würde keine Antwort bekommen, aber dann kam sie doch – und sie klang bitter. »Der Himmel mag wissen, was sie mit dir in Ägypten gemacht haben, aber es muß schlimm gewesen sein.«
      Endlich fand er sich mit der Tatsache ab, daß ich mich geändert hatte – wirklich geändert. Das konnte mir nur recht sein. Ich saß da und sah hinaus aufs Meer und dachte nicht an die Ereignisse in der Villa, sondern an Karl Hoffer, die ehren werte Joanna und Serafino Lentini, den großen Liebhaber, der sie so sehr begehrte, daß er sie für sich behalten wollte. An den Serafino, von dem Großvater mir erzählt hatte, daß er bei der Polizei seine Männlichkeit eingebüßt hatte und zur Liebe gar nicht mehr fähig war.
      Warum hatte Vito Barbaccia, der ›Capo Mafia‹, dieser Erzgauner, mir entgegen seiner Angewohnheit ausgerechnet das erzählt?

    8

    Hoffer hielt Wort und stellte uns für die Erkundungsfahrt einen Fiat zur Verfügung. Damit es uns nicht langweilig wurde, schickte er auch noch Rosa Solazzo mit. Seine Begründung war, daß wir harmloser wirken würden, wenn wir eine Frau mithätten, aber ich glaubte viel eher, daß er sie als Aufpasserin mitgeschickt hatte.
      Die abschließende Besprechung am nächsten Morgen wurde ziemlich hastig abgewickelt. Er mußte geschäftlich nach Catania fliegen und wollte so früh wie möglich mit seiner Cessna starten, um rechtzeitig am Abend wieder zurück zu sein, damit er sich meinen Lagebericht anhören konnte.
      Von der Schießerei in der Villa wurde kein einziges Wort erwähnt. Das fand ich recht interessant. Auf dem Rückweg hatte Burke mich gebeten, die Sache für mich zu behalten, weil er offenbar glaubte, ein seriöser Geschäftsmann wie Hoffer würde nicht gern etwas mit Gewalttätigkeiten zu tun haben. Aber Ciccio war schließlich dabeigewesen und mußte zumindest die Schüsse gehört haben, obwohl auch er auf dem Rückweg ebenso phlegmatisch tat wie immer. Ich hielt es für unwahrscheinlich, daß er die Sache nicht weitergemeldet hatte.
      Wir folgten der normalen Route wie alle Touristen, die quer über die Insel nach Agrigento fuhren, wenn sie ein wenig die Gegend genießen wollten. Wie geplant, hatte ich das Steuer übernommen, Burke saß neben mir, und Rosa Solazzo konnte es sich auf den Rücksitzen bequem machen.
      In ihrem marineblauen Hosenanzug sah sie sehr attraktiv aus. Einen Kontrast dazu bildete die sehr weibliche Nylonbluse mit Rüschen. Hinzu kam noch ein rotes Seidentuch, das sie sich übers Haar gebunden hatte, und natürlich die unver meidliche Sonnenbrille.
      Sie versuchte gar nicht erst, Konversation zu machen, sondern las in einer Zeitschrift. Als ich in dem Dorf Misilmen, etwa zehn Meilen von Palermo entfernt, anhielt, um Zigaretten zu kaufen, fragte ich sie, ob sie etwas brauche. Ihre einzige Antwort bestand aus einem stummen Kopfschütteln.
      In ihrer Gegenwart konnten Burke und ich uns auch natür lich nicht ungestört unterhalten, aber er schien ohnehin nicht in der rechten Stimmung zum Reden zu sein, sondern lehnte finster und nachdenklich in seinem Sitz und erweckte den Eindruck, als hätte er die ganze Welt auf den Schultern zu tragen. Ich bemerkte wieder das leichte Zittern seiner Hände.
      Zum erstenmal ertappte ich mich bei der Überlegung, ob er den Dingen, die vor uns lagen, wohl überhaupt gewachsen sein mochte. Andererseits hatte er bei dem Zwischenfall in der Villa bewiesen, daß er gegenüber früher nicht langsamer reagierte. Der Schuß, mit dem er den Jungen

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