Nacht über dem Bayou (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)
eine Löwenmähne. Seine Augen erinnerten mich an kleine rote Leuchtkugeln, die tief in die Falten seines Gesichts gedrückt waren, das wund wirkte, sei es vom Wundbrand, vom Alkohol oder aufgrund eines überhohen Blutdrucks.
Er hieß Jody Hatcher. Vor anderthalb Jahren war er vor Gericht unter der Auflage freigekommen, dass er sich freiwillig zum Marine Corps meldete. Womöglich hatte man gehofft, dass dadurch die ganze Familie Hatcher einfach aus dem Bezirk Iberia verschwinden würde. Seine Zwillingsschwester hatte kurze Zeit landesweit für Aufsehen gesorgt, als sie wegen Mordes an sieben Männern festgenommen worden war, die sie beim Trampen auf dem Florida Turnpike mitgenommen hatte. Die Mutter, eine fette, cholerische Frau mit starkem Damenbart, wurde von CBS auf der Veranda vor der Hütte interviewt, in der sie ihre Kinder großgezogen hatte. Ich werde ihre Worte nie vergessen: »Meine Schuld ist das nicht. Die is’ von Anfang an so gewesen. Ich hab sie jeden Tag geprügelt, schon als sie noch ganz klein gewesen ist. Es hat nix genutzt.«
»Werden Sie anständig behandelt, Jody?«, fragte ich, nachdem der Deputy mich und Helen eingeschlossen hatte.
»Ich kann das Echo nicht ab, Mann. Ich kann nicht auseinander halten, was von draußen am Gang kommt und was da drin is’«, sagte er grinsend und deutete auf seinen Kopf. Er trug hautenge schwarze Jeans und eine schwarze Lederweste, aber kein Hemd. Er strahlte geradezu, wirkte fröhlich und leicht selbstironisch, so als sehe er belustigt zu, wie sein Leben den Bach runterging.
Helen und ich setzten uns auf die Holzbank an der hinteren Wand. Mitten in der Zelle befand sich ein Abflussloch, das voller Urinflecken war.
»Ihre Satteltaschen sollen voller Amphetaminpulver gewesen sein«, sagte ich.
»Ja, der Macker, dem ich meine Harley geborgt hab, hat mich wahrscheinlich echt angeschissen. Mann, ich kann’s nicht ab, wenn die so was mit einem machen.«
Ich nickte, als hörte ich eine traurige, aber wahre Geschichte.
»Ich dachte, Sie wären auf Haiti«, sagte ich.
»Bin entlassen worden, Mann. Ham Sie im Fernsehn die Schießerei bei dem Polizeirevier mitgekriegt? Das is’ mein Zug gewesen. Schaun Sie, da is’ ’ne Einheimische gewesen, die uns vom Balkon aus zugejubelt hat, und ’n Attaché hat ihr ’n Schlagstock übern Schädel gezogen. Deswegen sind wir drunten bei dem Polizeirevier gewesen. Wir sind ausgeschwärmt und ham die Gegend gesichert, weil wir nicht gewollt ham, dass die Jungs noch mehr Leuten was antun. Die Marineinfanterie sorgt für Frieden, aber friedlich is’ sie nich, auch wenn das viele Zivilisten nicht kapiern. Wir ham gehört, dass die Jungs uns einheizen wolln, und dann kommt so ’n Macker raus und läuft mit ’ner Uzi in der Hand auf uns zu, und
puff
macht’s, Mann, und ich seh die Leuchtspurmunition aus der Knarre vom Lieutenant, und im nächsten Moment ist der Teufel los, und eh ich michs verseh, hab ich ’n ganzes Magazin auf einen Typ rausgerotzt, und der fliegt gegen ’ne Mauer und sieht aus, als ob ihn ein Schwarm Hühner totgepickt hätt. Ich hab das nicht gerafft, Mann. So was is’ echt grusliger Scheiß.«
Er saß auf einer Holzbank, hatte die Unterarme auf den Knien übereinander gelegt, die Fäuste geballt und schaute geistesabwesend ins Leere.
»Erzählen Sie Detective Robicheaux von dem mexikanischen Cowboy«, sagte Helen.
»Das ham wir doch schon durchgekaut, oder nich’? Ich denk nich’ gern an so ’n Zeug.« Er spitzte den Mund wie ein Fisch.
»Sie müssen mit uns zusammenarbeiten, Jody, wenn Sie wegen der Sache mit dem Speed Strafnachlass wollen«, sagte Helen.
»Das war, kurz bevor ich zu den Marines gegangen bin. Ich hab in einer Bar in Loreauville ’n paar Mexikaner kennen gelernt. Ich bin auf Dust und Trips gewesen und hab mir ’n paar Wodkas eingepfiffen, und dann sind wir alle irgendwo draußen im Wald gelandet. Es is’ ’ne richtig abgefahren heiße Nacht gewesen, voller Glühwürmchen, die auf den Bäumen rumgewimmelt sind, und draußen im Sumpf ham die Ochsenfrösche gequakt und die Nutrias geschrien. Die Jungs ham herrliches Speed gehabt, astreines Zeug, das dir nich’ das Blut versaut. Aber der eine Cowboy hat sich den Arm abgebunden und ’ne Vene rausgekitzelt, bis sie prall und lila wie ’ne Runkelrübe gewesen is’, und dann hat er sich ’n Schuss gesetzt, und
plopp,
krümmt er sich zusammen und kippt um, und der Gummiriemen zum Abbinden schlackert zwischen seinen Zähnen
Weitere Kostenlose Bücher