Nacht über dem Bayou (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)
Orleans gemeinsame Sache macht. Womöglich landet Aaron nicht wieder im Gefängnis ... Ach komm, lassen wir das. Fahren wir heute Abend lieber mit meinem Boot den Bayou runter.«
»Bei dem Regen?«
»Warum nicht?«
»Was macht dir zu schaffen, Dave?«
»Ich muss auf Buford aufpassen. Er kommt um zehn mit der Maschine aus Monroe.«
»Aha.«
»Am Dienstag ist alles vorbei.«
»Von wegen«, sagte sie.
»Stell dich nicht so an«, sagte ich und legte ihr die Hände auf die Schultern.
»Wie denn?« Dann strahlte sie mich an und sagte es noch mal: »Wie denn, Dave?«
Noch am gleichen Abend fuhren Helen Soileau und ich zum Flugplatz in Lafayette, holten Buford von seiner Privatmaschine ab und folgten ihm in einem Streifenwagen bis zur La-Rose-Plantage. Danach parkten wir im Dunkeln auf der Zufahrt und warteten darauf, dass wir um Mitternacht abgelöst wurden. Der Rasenstreifen rund um das Haus, die Sklavenunterkünfte, in denen jetzt Heu aufbewahrt wurde, und der aus Ziegeln gebaute Reitstall mit seinen eisernen Fensterläden waren gleißend hell angestrahlt und fluoreszierten förmlich in der feuchten Luft. Im Haus gingen nach und nach die Lichter aus.
»Kannst du mir vielleicht verraten, wieso ich mir bei diesem Einsatz vorkomme wie bestellt und nicht abgeholt?«
»Keine Ahnung«, sagte ich.
»Angenommen, du wärst an Aaron Crowns Stelle und willst Buford umnieten – wo würdest du dich auf die Lauer legen?«
»Unter den Bäumen, mit der Morgensonne im Rücken.«
»Willst du nicht nachgucken?«
»Die Sonne ist noch nicht aufgegangen.«
»Ganz schön gleichgültig.«
»Vielleicht sollte man Buford endlich mal zu seinen Sünden stehen lassen.«
»Das vergess ich lieber schleunigst.«
Tags darauf, an einem kühlen Samstagmorgen, zog ich mich in aller Frühe an, während Bootsie noch friedlich schlief, fuhr zur LaRose-Plantage und suchte am Waldrand zwischen Straße und Bayou nach Spuren. Genau genommen rechnete ich gar nicht damit, dass ich irgendetwas finden würde. Aaron war nicht beim Militär gewesen, hielt sich an keine taktischen Regeln, sondern verließ sich hauptsächlich auf seine Bauernschläue, und die war so unberechenbar und widersinnig wie nur was.
Doch ich vergaß dabei, dass Aaron sein Leben lang auf die Jagd gegangen war, nicht spaßeshalber oder weil er seine Allmacht über die Natur genießen wollte, sondern weil all die Gürteltiere und Hirsche, die Opossums und Enten, Eichhörnchen und Rotkehlchen, aber auch jeder Hornhecht, den er vom Boot aus schießen konnte, für ihn Nahrung darstellten – eins genauso gut oder schlecht wie das andere und keines weniger begehrenswert –, Beute, die er töten musste, um sich zu ernähren, und das tat er denn auch ebenso ruhig und leidenschaftslos, wie er Hühner oder Schweine schlachtete.
Wenn man’s recht bedachte, hätte mancher Scharfschütze von Aaron Crown einiges lernen können.
Etwa hundert Meter von Bufords Garten entfernt, dort, wo man freie Sicht auf die umgebaute Remise, die Auffahrt und die geparkten Autos hatte, entdeckte ich umgeknickte graue Blätter und Knie- und Stiefelabdrücke im feuchten Erdreich hinter einem Persimonenbaum, dazu eine leere Dose mit Wiener Würstchen, Salzcrackerkrümel und die Überreste einer selbst gedrehten Zigarette.
Dann meinte ich einen Moment lang schnelle Schritte zu hören, so als ob jemand zwischen den Bäumen davonlaufe, runter zum trockenen Bachlauf und hinter der Marmorgruft der LaRoses vorbei. Doch als ich im Morgenrot und im Regen, der wie Kristallnadeln in den ersten Sonnenstrahlen funkelte, erneut hinschaute, sah ich nur die roten Pferde, die mit dampfenden Leibern zwischen den Bäumen umhersprengten und mit den Hufen das dichte Laub aufwirbelten.
Ich holte eine Beweismitteltüte aus meiner Hosentasche und wollte gerade das zerrissene Zigarettenpapier und die Würstchendose mit meinem Kugelschreiber aufspießen, als ich Buford aus der Hintertür kommen sah. Er trug Jeans, Cowboystiefel, eine schwarze Wildlederjacke und einen grauen Stetson und wandte das Gesicht in die Morgenröte, so als berge sie ein besonderes Vorzeichen.
Ich fragte mich, ob er sich schon mal vorgestellt hatte, wie sein Gesicht durch ein Zielfernrohr aussah, kurz bevor jemand auf den Abzug drückte und eine 303er-Kugel ein Riesenloch hineinriss.
Vielleicht. Aber vielleicht gab ich mich auch nur Gewaltfantasien hin, die darauf hindeuteten, dass meine Wut und meine Verstimmung größer und nachhaltiger waren, als ich
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