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Nacht über Juniper

Titel: Nacht über Juniper Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Glen Cook
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»Wohlgemerkt, es ist nur eine Vermutung. Niemand hat es so gesagt. Aber ich glaube, die Lady will die Katakomben plündern.«
»Das wird den Leuten nicht gefallen.«
»Ich weiß. Du weißt das; ich weiß das; sogar Wisper und Hinker wissen Bescheid. Aber wir geben nicht die Befehle. Es gibt Gerede, daß der Lady allmählich das Geld ausgeht.« Während all der Jahre, die wir nun schon in ihrem Dienste sind, hatten wir noch niemals ei- nen Zahltag missen müssen. Darin war die Lady grundehrlich. Die Truppen wurden bezahlt, ob sie nun Söldner oder Reguläre waren. Ich nehme an, die verschiedenen Heere kamen mit der einen oder anderen Verzögerung zurecht. Für Heerführer ist es fast schon eine Tradition, ihre Leute gelegentlich übers Ohr zu hauen. Die meisten von uns machten sich sowieso nichts aus Geld. Wir neigten zu preiswertem und eingeschränktem Geschmack. Allerdings könnte sich diese Haltung wohl ändern, wenn wir ganz ohne auskommen mußten.
»Zu viele bewaffnete Männer an zu vielen Grenzen«, sinnierte der Hauptmann. »Zuviel Ex- pansion in zu kurzer Frist für allzu lange Zeit. Das Reich hält das nicht aus. Der Vorstoß ins Gräberland hat ihre Reserven aufgezehrt. Und es geht immer weiter. Wenn sie den Dominator plattmacht, dann mach dich mal auf Veränderungen gefaßt.« »Vielleicht haben wir einen Fehler gemacht, oder?« »Haben ‘ne Menge Fehler gemacht. Welchen meinst du?« »Über das Meer der Qualen nach Norden zu kommen.« »Ja. Das habe ich schon seit Jahren gewußt.« »Und?«
»Und wir kommen hier nicht raus. Noch nicht. Vielleicht irgendwann, wenn uns unser Auf- trag wieder zu den Juwelenstädten führt oder irgendwohin, wo wir das Reich verlassen kön-
    nen und uns immer noch in einem zivilisierten Land befinden würden.« In seiner Stimme
schwang eine fast bodenlose Sehnsucht mit. »Je mehr Zeit ich hier im Norden verbringe, Croaker, desto weniger will ich meine Tage hier beschließen. Schreib das in deinen Annalen nieder.«
Er war gesprächig, was selten vorkam. Ich grunzte bloß und hoffte, daß er das Schwiegen weiter mit Worten füllen würde. Das tat er auch. »Wir marschieren mit der Finsternis, Croaker. Ich weiß, daß das eigentlich keinen Unter- schied ergibt. Logisch gesehen. Wir sind die Schwarze Schar. Wir sind weder gut noch böse. Wir sind nur Soldaten, deren Schwerter zum Verkauf stehen. Aber ich habe es satt, daß unsere Arbeit für bösartige Zwecke verwendet wird. Wenn diese Plündersache losgeht, dann trete ich vielleicht zurück. Raven hatte damals bei Charm schon den richtigen Einfall. Er hat zugese- hen, daß er wegkam.«
Da machte ich einen Vorschlag, der mir schon jahrelang im Hinterkopf herumspukte. Einen Vorschlag, den ich niemals ernst genommen hatte, weil er – nun ja – bedeutet hätte, gegen Windmühlen ankämpfen zu wollen. »Das bringt uns nicht weiter, Hauptmann. Wir haben auch die Möglichkeit, die Seite zu wechseln.« »Hä?« Er kehrte wieder von dem weit entfernten Ort zurück, der ihn kurz in seinen Bann ge- schlagen hatte und sah mich nun wirklich an. »Sei nicht blöd, Croaker. Das wäre ein Idioten- streich. Die Lady zertritt jeden, der so etwas versucht.« Er grub eine Stiefelhacke in den Bo- den. »Wie einen Käfer.«
»Ja.« Es war tatsächlich in mehrfacher Hinsicht ein dummer Einfall; der nicht einmal wich- tigste Aspekt bestand darin, daß die andere Seite sich uns nicht leisten konnte. Ich konnte mir uns auch nicht in der Rebellenrolle vorstellen. Die meisten Rebellen waren Idioten, Narren oder Ehrgeizlinge, die sich von dem Besitz der Lady eine Scheibe abzuschneiden hofften. Darling war die überragende Ausnahme, und sie war mehr Symbol als Substanz und zudem auch noch ein geheimes Symbol.
»Vor acht Jahren stand der Komet zuletzt am Himmel«, sagte der Hauptmann. »Du kennst doch die Legenden. Sie wird nicht eher fallen, als bis der Große Komet am Himmel steht. Willst du es versuchen, neunundzwanzig Jahre lang auf der Flucht vor den Unterworfenen am Leben zu bleiben? Nein, Croaker. Selbst wenn unsere Herzen für die Weiße Rose schlü- gen, könnten wir diese Wahl doch nicht treffen. Das wäre Selbstmord. Das einzig Richtige wäre, aus dem Reich zu verschwinden.«
»Sie würde uns verfolgen.«
»Warum? Warum sollte sie nicht mit dem zufrieden sein, was sie die letzten zehn Jahre von uns bekommen hat? Wir sind doch keine Bedrohung für sie.« Aber das waren wir. Das waren wir sehr wohl, und mochte es nur deshalb sein, weil wir von der

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