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Nachtchimäre - Fragmente der Dunkelheit (German Edition)

Nachtchimäre - Fragmente der Dunkelheit (German Edition)

Titel: Nachtchimäre - Fragmente der Dunkelheit (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Myrna E. Murray
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Leider konnte ich es nicht mitnehmen, aber reservieren. Einen Moment überlegte ich, ob das nicht dem Grundgedanken einer Bibliothek widerspricht, wollte aber keinen Streit vom Zaun brechen. Solange ich es heute weiterlesen kann, soll mir das recht sein. Wenn mein „Tagewerk“ vollbracht ist, werde ich mich wieder in die Bibliothek zurückziehen und weiter Annas Spuren folgen.
    Nach dem „Aufstehen“ überfliege ich kurz meine Abendplanung und stelle dabei fest, dass heute der Moulin Rouge Tag ist. Die Bestätigung der Reservierung blinkt auf der Anzeige meines Fernsehers, als ich das Gerät kurz starte, um meine Musikauswahl für heute zu treffen. Ach wie schön, ein Lichtblick in dem ganzen Chaos. Obwohl ich mich darauf freue, ist da doch ein kleiner Tropfen Wehmut. Wie gerne würde ich da mit jemandem hingehen, aber alleine wird das auch ein wunderschöner Abend.
    Genau betrachtet hatte Ben sich selbst dazu eingeladen, aber das hat sich wohl erledigt. Was mir gelinde gesagt auch lieber ist, denn er hätte mir den Film sicherlich verdorben. Oder ihn in seiner ihm eigenen Interpretation pervertiert. Vielleicht wäre Sharroll ja mitgekommen, aber das fällt wohl auch aus. Naja, macht nichts. Ich werde einfach alleine ins Kino gehen. Immerhin bin ich ein großes Mädchen.
    Wenig später stelle ich fest, dass es noch circa zweieinhalb Stunden sind, bis ich mit Cindy verabredet bin. Sie wird mich an der Rezeption abholen und dann legen wir los. Sorgfältig suche ich meine Utensilien zusammen. Prüfe Handschuhe, Nadeln, Farben, Desinfektionsmittel und mein Lieblingsmaschinchen. Das ganze Material wandert ordentlich verpackt in eine unauffällige Tasche. Danach setze ich mich an die sorgfältige Übertragung ihrer Skizze auf meine Vorlage. Etwa eine halbe Stunde nimmt dieser Prozess in Anspruch, danach habe ich etwas, womit ich arbeiten kann. Während meiner Tagesruhe sind mir kleine Detailbilder in den Kopf geschossen, von denen ich sehen werde, welche zu ihr passen.
    Dafür gibt es keine festgelegte Regel. Es ist so, als ob mir der Körper sagt, was er möchte und was nicht zu ihm passt. Um ihr einige Vorschläge machen zu können, lege ich entsprechende Musik ein und skizziere etwa eine weitere halbe Stunde vor mich hin. Es ist beinahe eine meditative Arbeit, die mich auf eine angenehme Art auslastet.
    Darüber vergesse ich fast die Zeit, doch als ich ein kleines geflügeltes Wesen fertig habe, das den Betrachter mit frech zur Seite gelegtem Kopf dreckig angrinst, huschen meine Gedanken zu den gestrigen Geschehnissen zurück.
    Plötzlich ringe ich mit mir, ob ich Ben in seiner „Arrestzelle“ besuchen soll oder nicht. Den Bleistift beiseitelegend betrachte ich das kleine Wesen vor mir auf dem Papier, und es scheint tatsächlich zurückzublicken. Ausschlaggebend für den Gedanken an einen Besuch sind Bens Verhalten im Poolhaus und das spätere Treppengespräch mit Loren. Wenn Ben sich tatsächlich so auf mich eingeschossen hat, könnte es problematisch werden. Ich bin mir beinahe sicher, dass er alles in seiner Macht Stehende tun wird, um mich aufzuspüren.
    Richtig Angst davor habe ich nicht, denn was will er mir denn? Sobald ich festen Boden unter den Füßen habe, ist er mir unterlegen – zumindest in direkter Konfrontation. Auf Distanz könnte es schwieriger werden.
    Ich seufze, denn auch wenn ich dieses Pseudonym noch nicht lange verwende, so ist es mir doch lieb geworden und ich habe keine Lust, auf meine Spuren zu achten – zumindest nicht mehr als sonst. Wer weiß außerdem, mit wem er in den USA Kontakt hat. Nein, es ist alles irgendwie zu riskant. Ich werde es beenden und einen feinen Schnitt machen.
    Von mir aus soll er von mir träumen und fantasieren. Das tut mir zwar ein bisschen leid für Loren, aber damit muss sie dann leben. Es steht fest, ich muss noch einmal mit Ben sprechen, bevor er das Schiff verlässt, und mich aus seinem aktiven Gedächtnis streichen.
    Und wenn er sich bereits nach dir erkundigt hat ? Ich wische den Gedanken beiseite. Er weiß nicht, wo ich – oder Christa – herkomme. Und wenn er sich in der Kunstszene umhört, oder umhören lässt ?
    Dummer Kopf, das ist doch ganz einfach. Weder mein Alter Ego als Tätowiererin ist ihm bekannt, noch meine Kontaktpersonen in der Galeristenszene.
    Aber er könnte doch… Was? Sich tatsächlich all diese Mühe machen? Wofür? Für eine billige Nummer in seiner Suite – die nur in seiner Fantasie stattgefunden hat? Langsam schüttele ich

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