Nachtflug Zur Hölle
Geheimhaltungsvorschriften.
»Wo wir gerade von Elliott reden…«, sagte der Präsident. »Er verhält sich in letzter Zeit auffällig still. Wird er über die Fortschritte seiner Leute und den Status von REDTAIL HAWK auf dem laufenden gehalten?«
»Er steht nicht auf der Liste der Empfänger regelmäßiger Zwischenberichte, Sir«, antwortete Curtis. Dabei sah er kurz zu Russell hinüber, denn der Sicherheitsberater hatte angeordnet, Elliott nicht auf diese Liste zu setzen. »Soll diese Weisung geändert werden?«
»Elliott kann sich alle Informationen selbst beschaffen«, sagte Russell gereizt. »Ich gehe jede Wette ein, daß er mindestens so gut informiert ist wie Sie – oder, General Curtis?«
Der Viersternegeneral funkelte ihn an. »Seine Einheit hat die Flugzeuge gebaut, mit der die Special Forces nach Litauen gebracht werden. Außerdem stammt das Satellitenaufklärungssystem unten im Lagerraum von ihm. Vier seiner höchsten Offiziere, darunter zwei, die ihm einmal das Leben gerettet haben, sind an einem Unternehmen in dreizehntausend Kilometern Entfernung beteiligt. Ganz abgesehen davon, daß er und seine Einheit uns wertvollste Dienste leisten können, falls es bei diesem Unternehmen Schwierigkeiten geben sollte, Mr. Russell, halte ich es für ein Gebot des Anstände, ihn über den Stand des Unternehmens zu informieren.«
»Okay, okay«, stimmte George Russell resigniert zu. »Ich hab’ nicht gewußt, daß ihr beide mal siamesische Zwillinge gewesen seid.
Setzen Sie ihn meinetwegen auf die verdammte Prioritätsliste zwei.«
»Gut, das war’s dann vorläufig«, sagte der Präsident, dankbar, daß diese Besprechung vorüber war. »Ich merke schon, es wird eine verdammt lange Nacht werden.«
Kapelle der Burg Trakai bei Wilna, Litauen
12. April, 23.13 Uhr
Dies war die erste Bestattung litauischer Ritter seit über 200 Jahren – und heute wurden gleich 23 Ritter beigesetzt. Die Särge in der Kapelle im Haupttrakt der Burg Trakai waren mit dem Wytis, der Kriegsflagge des Großfürsten, bedeckt und von hohen Kerzen in goldglänzenden Kerzenhaltern umgeben. Major Kolginow war der ranghöchste Offizier gewesen – deshalb führte sein Sarg die Doppelreihe an. Die vier Ritter, die mit langen Streitäxten in den Händen an seinem Sarg Wache hielten, trugen zugleich Sturmgewehre AK-47 über den Schultern, denn die litauische Armee war kriegsbereit – sogar während der Ehrenwache.
Der Trauergottesdienst für die beim Denerokin-Massaker gefallenen Soldaten fand tagsüber statt, aber die Seelenmesse für die Ritter sollte wie alle Zeremonien des Ordens um Mitternacht abgehalten werden. Nach dem Gottesdienst traf Anna Kulikauskas in der Kapelle General Dominikas Palcikas. Er kniete in der ersten Reihe. Sie ging nach vorn, beugte neben dieser Reihe das Knie und blieb dann schweigend stehen, bis der General aufblickte. Er sah aus, als wollte er in der nächsten Minute in die Schlacht ziehen. Heute trug er einen Tarnanzug mit seiner Makarow am Webkoppel. Neben ihm auf der Bank lagen Stahlhelm, Handfunkgerät und Sturmgewehr.
»Die Wachen haben mich eingelassen«, berichtete Anna. »Sie haben mich wiedererkannt.« Keine Reaktion. »Mein Beileid zu Ihrem Verlust, General.«
»Was wollen Sie hier? Unsere ›perversen‹ Rituale mißfallen Ihnen doch so sehr – und dies ist bloß noch eines. Oder sind Sie gekommen, um mich wegen des Todes dieser Männer anzuklagen?«
»Bitte entschuldigen Sie, Dominikas«, sagte Anna einfach. »Ich habe dort draußen unter Schock gestanden. Und Sie haben alles verkörpert, was an Litauen schlecht und bedrohlich gewesen ist.
Mein Gott, als dieses tote Mädchen vor mir lag… Bitte, verzeihen Sie mir, Dominikas. Ich hatte vergessen, daß ich gelernt hatte, Soldaten zu vertrauen – Ihnen zu vertrauen.«
Er nickte langsam. »Vermutlich haben Sie die Zeugenaussagen über diesen Vorfall vor dem GUS-Ministerrat organisiert. Ich möchte Ihnen dafür danken, daß Sie die Zeugen zusammengeholt und auch persönlich zu meinen Gunsten ausgesagt haben.«
»Ich habe versucht, die Soldaten mit den Granatwerfern zu identifizieren«, berichtete Anna. »Ich habe sie erst für Litauer gehalten, aber Gespräche mit anderen Zeugen haben mich vom Gegenteil überzeugt. Außerdem hatte ich Angst um Sie. Ich habe entsetzt zusehen müssen, wie man Sie – einen litauischen Bürger und unseren höchsten Offizier – niedergeschlagen und weggeschleppt hat. Ich mußte etwas unternehmen. Wir sind mit
Weitere Kostenlose Bücher