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Nachtgeboren - Sinclair, A: Nachtgeboren

Nachtgeboren - Sinclair, A: Nachtgeboren

Titel: Nachtgeboren - Sinclair, A: Nachtgeboren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alison Sinclair
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»Sie haben also den jungen Ishmael di Studier zum Tanzen bewegt?«
    Xephilia war die ältere Schwester der Mutter des Erzherzogs. Ihre Rivalität um die Hand und das Herz des letzten Erzherzogs, in der sie jede List benutzt und jeden Skrupel, den Frauen kannten, fahren gelassen hatten, war vor vierzig Jahren ein Skandal gewesen. Nach Telmaines Ansicht musste es für die Zuschauer ungeheuer unterhaltsam gewesen sein.
    »Kommen Sie zu mir, Telmaine.« Xephilia scheuchte die Enkelin, die bisher neben ihr gesessen hatte, fort. Mit einer Mischung aus Gehorsam und Neugier ließ sich Telmaine in den Sessel sinken.
    »Er tanzt im alten Stil, aber doch recht gut, nicht wahr?«
    »Meine Zehen können es bestätigen«, antwortete Telmaine zurückhaltend.
    »Hm.« Xephilia beugte sich näher zu ihr. Vor vierzig Jahren hatte sie als die schönere der beiden Schwestern gegolten. »Sie wissen doch, warum er diese Handschuhe trägt, oder?«
    »Ich habe vermutet, dass sie an der Grenze in Mode sind«, sagte Telmaine sorglos. »Oder dass er vielleicht zu verschwitzten Händen neigt.«
    Prinzessin Xephilias Sondierung fehlte jede Zögerlichkeit einer alten Frau. »So naiv sind Sie doch nicht, Mädchen. Er trägt diese Handschuhe, weil er durch Berührung Gedanken lesen kann. Sie wären gut beraten, daran zu denken, wenn Sie mit ihm tanzen. Und Ihre eigenen schönen Arme nicht zu bedecken, solange er in der Nähe ist.«
    Telmaines Mund war schlagartig so trocken geworden wie die Schattenländer. Mühsam verzichtete sie darauf, ihren Fächer oder ihre Arme zu umklammern. »Ich trage sie … wegen meiner Phobie«, sagte sie. »Ohne die Handschuhe bin ich nicht in der Lage, einen Ball zu genießen …«
    »Ach, machen Sie sich darüber keine Sorgen, Mädchen. Wir kennen Sie ja. Es wäre eben besser, wenn Sie es könnten, das ist alles; Sie sollten Ihren Mann dazu bringen, Ihnen etwas Aufmerksamkeit zu schenken, sowohl fachlich wie auch als Frau. Und was di Studier angeht, der Mann konnte ja auch nichts daran ändern, dass er so geboren wurde, wie er nun einmal war; so viel sei ihm zugestanden. Aber er hätte sich die Baronie aus dem Kopf schlagen sollen. Was denkt er sich wohl, wie er seine Linie fortsetzen will? Welches Mädchen würde ihn denn heiraten?«
    »Die Veranlagung ist nicht erblich«, sagte sie. Und wenn die Götter auch kein anderes ihrer Gebete erhören würden, so mochten sie wenigstens diesem einen ihr geneigtes Ohr schenken.
    »Jedenfalls nicht, wenn wir es erst gar nicht so weit kommen lassen«, sagte Prinzessin Xephilia knapp. »Ishmael di Studier sollte nicht heiraten und die Baronie so wie geplant an seinen Bruder fallen. Das wird sie auch, wenn die Zeit reif ist. Di Studier wird nicht in der Lage sein, dem Ruf auf Dauer zu widerstehen, wenn er im Grenzland lebt.«
    Diese Gefühllosigkeit schockierte sie, und sie vergaß die Gefahr, in der sie sich persönlich befand. »Sie würden es billigen, wenn ein Mann einen schrecklichen Tod findet, nur weil er ein Magier ist?«
    »Da gibt es kein ›nur‹«, erwiderte die alte Frau streng. »Magier sind ebenso gefährlich wie Schattengeborene. Kommen Sie also nicht auf die Idee, an ihm irgendwelche Wohltaten zu vollbringen, Mädchen.«
    In der Haupthalle läuteten drei hell gestimmte Glocken mit einem süßen, aber durchdringenden Klang. Es war ein Hinweis für diejenigen der Gäste, die nicht über Tag bleiben wollten, auf den Anbruch der letzten sicheren Stunde der Nacht. Im Hochsommer blieben die meisten Gäste, da die Nacht viel zu kurz war für eine anständige Feier. Aber jetzt, da der Sommer in den Herbst überging und die Nächte länger wurden, würden einige sich verabschieden und andere die Gelegenheit nutzen, die frische Luft und die Düfte des Gartens zu genießen, solange noch die Möglichkeit dazu bestand. Telmaine erhob sich – nicht allzu hastig, wie sie hoffte – und entschuldigte sich. Sie müsse etwas frische Luft schöpfen, bevor die Sonne aufgehe. Die Falten ihres Kleides verbargen ihre zusammengepressten Hände. Dieses giftige, gefährliche alte Weib!
    Sie raffte ihre Röcke, trat seitlich durch die Tür und benutzte ihre Ultraschallsinne nur, um sicher an den Gästen auf der Terrasse vorbeizugelangen. Bevor sie die Treppen hinuntereilte, stellte sie ebenfalls mit einer schnellen Sondierung der Stufen und des Rasens dahinter sicher, dass sie mit niemandem zusammenstoßen würde. Ein Paar stand eng umschlungen in einer der dekorativen Nischen unterhalb

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