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Nachtgeboren - Sinclair, A: Nachtgeboren

Nachtgeboren - Sinclair, A: Nachtgeboren

Titel: Nachtgeboren - Sinclair, A: Nachtgeboren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alison Sinclair
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der Stufen. Als sie die Sondierung spürten, drehte der weibliche Part der beiden sich schnell so, dass ihr Geliebter zwischen ihr und dem Garten stand. Telmaine aber hatte bereits eine Cousine zweiten Grades erkannt, die dort einen Mann, der nicht der ihre war, leidenschaftlich umarmte. Sie seufzte. Parthenalopes Benehmen war ein Skandal, aber ihr Mann stand ihr kaum nach. Er trank, und sie nahm es mit der Treue nicht so genau. Wenn Telmaine sich in ihrer beider Gesellschaft befand, brauchte sie sie nicht zu berühren, um ihre gegenseitige Abneigung zu spüren und die gemeinsame Verzweiflung, das Joch ihrer Ehe zu ertragen.
    Sie wandte sich von dem ehebrecherischen Paar ab und ging langsam über den Rasen zum Teich weiter. Im Spätsommer waren die Nächte schon so lang, dass sich die Wärme des Tages ganz verflüchtigen konnte; die Luft war zwar duftgeschwängert, aber kühl. Ihre Schritte ließen die Kiesel leise knirschen, als sie den Pfad um den Teich erreichte. Sie verlagerte ihr Gewicht auf den Fuß, der immer noch auf dem Rasen stand, drehte sich und ging dann langsam parallel zum Weg auf dem Rasen weiter, orientierte sich mit ihrem Ultraschallsinn sowie nach Geruch und dem, was sie unter ihren Schuhen spürte, wobei ihr die Vertrautheit mit diesem Garten zupasskam. Anders als die Gärten einiger anderer großer Häuser – das ihrer Familie eingeschlossen – war die Anlage dieses kleinen Parks in den letzten hundert Jahren nicht verändert worden. Es gab die miteinander verbundenen Teiche vor einer trägen Wand von Weiden, Beete voller Blüten, die vor allem bei Nacht blühten und ihren Duft verbreiteten. Blumen aus dem ganzen Land und selbst von jenseits der Grenzen – und dann eine Hecke um ein Labyrinth, hinter dem plötzlich die Stimme ihres Mannes erklang.
    »Wie hätte ich denn wissen sollen, dass sie hierher kommen würde?«
    Ungläubig blieb sie stehen und lauschte. Ein Augenblick verstrich, dann erklang hinter der Hecke wieder das Flüstern.
    »Wie hätte ich denn von dem Kind wissen sollen? Sie hat es mir nie gesagt.«
    Nicht Balthasar, das konnte nicht Balthasar sein; sie konnte sich einfach nicht vorstellen, wie der gelehrte Mann erklärte: »Wie hätte ich es denn wissen sollen?«, und dann noch in diesem jämmerlichen Ton. Und ein Kind – wessen Kind?
    »Sie waren von unverzeihlicher Sorglosigkeit«, murmelte der Stimme nach zu urteilen eine Frau. Telmaine lief ein Schauder über den Rücken, ohne dass sie zu sagen gewusst hätte, warum.
    Der Mann mit Balthasars Stimme gab mit einem Nachdruck, der schon fast panisch klang, von sich: »Ich werde mich darum kümmern. Ich verspreche es. Ich werde mich darum kümmern. Bitte.«
    Eine nachdenkliche Stille trat ein, dann erklang wieder die heisere, fast ausdruckslose Stimme: »Stellen Sie sicher, das zu tun. Und jetzt gehen Sie.«
    »Sind Sie …«
    »Ich habe hier noch zu tun. Gehen Sie.«
    Zu ihrer Linken hörte Telmaine die Kiesel knirschen, als der Mann so eilig aus dem Irrgarten strebte, dass er in seiner Hast stolperte. Die Frau knurrte leise, ein Geräusch, das beinahe tierisch klang. Reglos wartete sie ab, schickte ihm auch keinen Peilstrahl hinterher, während das Knirschen seiner Füße auf den Kieseln leiser wurde und erstarb. Telmaine bewegte sich ebenfalls nicht; sie hatte sich gegen die Hecke gedrückt und war sich nicht einmal sicher, ob sie noch atmete; ihr war furchtbar kalt, und sie fühlte sich merkwürdig benommen. Ohne es wahrzunehmen, zerdrückte sie Blätter, und Äste bohrten sich ihr wie Dornen in Wange und Ohr. Sie wusste nicht, warum sie nicht wahrgenommen werden wollte, sondern nur, dass sie es nicht wollte. Sie lauschte beinahe mehr mit ihrer Haut als mit den Ohren, wie die Frau aus dem Labyrinth hervortrat und sich dem großen Haus zuwandte und sich nahezu geräuschlos über die Kiesel bewegte. Sie hatte das Gefühl oder bildete sich ein, der Rocksaum dieser Frau striche an ihrem eigenen vorbei, doch das konnte nicht sein; dann wäre sie sicher sondiert worden. Sie hörte, wie die Frau kurz hinter ihr innehielt und mit einem feinen Ratsch ihren Rock von einem Dorn befreite.
    Vom Haus her erklang helles Gelächter. Leichte, schnelle Schritte näherten sich auf dem Pfad, und eine gebrochene Sondierung glitt über sie hinweg. Sie bereitete sich darauf vor, entdeckt zu werden, und wandte sich gerade noch rechtzeitig um, um das Hin und Her von Sondierungen wahrzunehmen, als die Frau ihre Röcke raffte, um zwei hektischen

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