Nachtgeboren - Sinclair, A: Nachtgeboren
und Atemnot nahmen ihn für eine Weile ganz in Anspruch. Es war schwer, sein Verlangen zu bezwingen, nach Floria zu rufen und sie um Hilfe zu bitten. Wenn sie von ihrer Seite der Wand, die keinesfalls Schaden nehmen durfte, etwas für ihn tun konnte, würde sie es tun.
»Noch einmal«, sagte ein Mann über ihm – er wusste jetzt nicht mehr, welcher der beiden, aber als Antwort wurde ein Stiefel in seinen Brustkorb gerammt, und plötzlich lag er auf dem Boden, ohne zu wissen, wie er gestürzt war, und versuchte in seinem Kampf wieder Luft zu bekommen und auf den Dielenbrettern Halt zu finden.
»Sagen Sie uns einfach, wo Tercelle Amberleys Bastarde sind«, sagte der Mann, dessen echte Stimme deutlicher hervortrat, wenn er Kommandos gab.
Balthasar krümmte sich zusammen, seine einzige, allerdings schwächliche Strategie, um sich selbst zu schützen. Er hörte schwere Schritte um sich herumgehen. »Nicht am Kopf«, sagte der Mann mit der kultivierten Stimme. Die Stimme kam näher, da der Mann sich zu ihm herabbeugte. »Tercelle Amberley hat hier Zwillinge zur Welt gebracht, Jungen. Sie sind Ihnen überlassen worden. Wohin haben Sie sie geschickt? Hat Ihre Schwester sie genommen?«
»Ich habe … Tercelle … schon Jahre … nicht mehr gesehen«, krächzte Balthasar mit kaum noch vernehmbarer Stimme.
»Noch einmal«, sagte der Mann. Der Tritt erschütterte ihn von Kopf bis Fuß; Rippen knackten, und die Luft entwich seinen Lungen in einem erstickten Schrei. »Er«, sagte der Sprecher, »könnte Ihnen mit einer einzigen Bewegung das Rückgrat brechen. Sie würden das Ende Ihrer Tage als Krüppel erleben.«
»Ich … weiß es … nicht«, stöhnte Balthasar.
»Dann werden wir auf Ihre hübsche Frau und Ihre Töchter warten.«
Balthasar zog sich auf Hände und Knie hoch, bevor sein Peiniger einen weiteren Tritt in seinem Bauch landete, der ihn einmal mehr als um Luft ringendes Bündel zu Boden warf.
»Dort«, befahl der Aristokrat und wies dem Stiefel, der ihm wieder gegen die Rippen getreten wurde, den Weg, ebenso wie dem Absatz, der seine Hand zermalmte, Handgelenke und Fußgelenke, jeder Tritt wohlbemessen, und zeitlich auf die Fragen abgestimmt: »Wo sind sie?« – Bevor er ein: »Nein, nein, nein«, durch zusammengebissene Zähne hervorbrachte, mehr eine Bitte, aufzuhören, als eine Verweigerung. Sie nahmen sich nicht die Zeit, den Unterschied festzustellen; sie misshandelten ihn, bis er, der Sprache nicht mehr mächtig, wie ein zerdrückter Wurm am Grund der Papierwand zuckend liegen blieb.
»Halt«, sagte der Aristokrat. Balthasar spürte, wie die Haube von seinem Kopf gezogen wurde und eine Sondierung über sein Gesicht strich. »Er hat gesagt, der hier sei weich und halte nicht viel aus.«
»Er markiert nur.«
»Nein, das tut er nicht – wer ist das?« Über ihnen war ein Geräusch zu hören, aber weder ein Aufprall noch ein Schneiden.
Floria sagte mit deutlich vernehmbarer Stimme: »Die Weiße Hand.« Das war ihr tödlicher Gruß, die letzte Erklärung, die die Männer und Frauen, die sie tötete, zu hören bekamen. Der Aristokrat, der sich über ihn gebeugt hatte, schrie. Einer von ihnen trat ihn noch einmal, aber der Tritt streifte ihn nur, und ein zweiter Schrei ertönte, höher und rauer.
»… Wenn du schießt, werden wir verbrennen …«
»Wir verbrennen ohnehin …«
»Halt! Halt, Lichtgeborene! Du bringst uns um.«
Balthasar hörte, wie sie von ihm wegstolperten und spürte das Fieber des Sonnenaufgangs auf der Haut. Und wie sie mit dem Licht über ihn hinwegsprang, um die Männer gnadenlos und auf wunderbare Weise zur Tür hinauszujagen. Er versuchte den Kopf zu heben, damit das Letzte, was er sondierte, sie wäre. Aber er war zu schwach, als dass er mehr hätte tun können als den Kopf herumzurollen, und sein Sonar war nur ein Flüstern. Er hörte sie neben sich auf der anderen Seite der Papierwand sagen: »Bal, Bal, bitte sprich mit mir!« Das Verbrennen , dachte er, ist doch nicht so schrecklich.
Telmaine
An der Bahnstation am Bollingbroke-Kreisel beschlichen Telmaine Zweifel, ob es besonders klug gewesen war, Ishmael di Studier zu gestatten, sie durch die Stadt zu begleiten – Zweifel, die nicht das Geringste mit Fragen des Anstands zu tun hatten. Er wollte ihren Mann treffen und ihm seinen Fall vorlegen.
»Ist dieses Ding … magisch?«, fragte sie zweifelnd und sondierte das Gefährt, mit dem zu fahren er vorgeschlagen hatte.
»Nicht im Mindesten«, entgegnete Ishmael di
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