Nachtkuss - Howard, L: Nachtkuss - Burn
Cael den Lauf gegen den Kopf.
Caels Kopf flog herum; Jenner unterdrückte einen Aufschrei, als sie die Blutspur auf seiner Schläfe sah, und eilte instinktiv auf Cael zu, während er nach unten wegsackte, als würde er auf die Knie fallen. So durfte das nicht enden. Johnson hob die Hand und zielte wieder, diesmal jedoch auf sie. Und er lächelte dabei.
Cael hörte plötzlich auf zu sinken. Stattdessen verlagerte er sein Gewicht und schoss wieder hoch, rammte die Stirn gegen das Kinn des Wachmanns und schleuderte ihn dadurch so brutal nach hinten, dass Johnson erneut gegen die Reling knallte und um ein Haar darübergekippt wäre. Cael half nach, packte Johnsons Bein, riss es hoch und versetzte ihm einen festen Schubs.
Johnson flog über die Stange, aber seine Todesangst verlieh ihm ungeahnte Kräfte und Reflexe; er schaffte es tatsächlich, sich im Fallen mit einer Hand an der Reling festzuhalten. So blieb er hängen, was bestimmt nicht leicht war, denn die Stange war ziemlich dick. Mit beiden Händen hätte er vielleicht noch eine Chance gehabt, doch als Jenner über die Reling blickte, erkannte sie, dass er die Pistole immer noch umklammert hielt. Cael stürzte zu ihr, fasste nach Johnson, und fragte hektisch: »Alles okay?«
Nein. Nein. Er wollte dich erschießen. Ihr versagte die
Stimme, und sie bekam kaum noch Luft. Sie zwang sich zu nicken und stieß dann einen erstickten Schrei aus, als sie aus dem Augenwinkel eine Bewegung bemerkte und erkannte, dass die Waffe wieder nach oben schwenkte. Johnson wollte auf keinen Fall über Bord gehen; er würde schießen. Auf sie. Oder auf Cael. Oder auf sie beide, wenn er konnte. Instinktiv fuhr sie herum, holte mit dem Schuh aus und rammte den Absatz in die Hand, die die Reling umklammerte.
Johnson schrie auf. Er verlor den Halt. Er, die Waffe, Jenners Schuh … alles stürzte ins Meer.
30
Es war sein schlimmster Albtraum. Einen Sekundenbruchteil hatte er Jenner angesehen, nicht den bewaffneten Wachmann, und diese Ablenkung hätte sie beide das Leben kosten können.
»Ich habe ihn umgebracht.« Jenner beugte sich über die Reling, dann drehte sie sich um und presste das Gesicht in seine Brust.
»Du hast ihn nicht umgebracht, das war ich.« Cael hielt sie fest. Ihr Körper bibberte, und sie fühlte sich kalt an, aber sie war eindeutig nicht in Panik. »Ich habe ihn über die Reling gestoßen, nicht du.«
»Aber ich … ich habe ihm auf die Hand gehauen.« Sie sagte das nur leise. Rein vernunftmäßig hätte Jenner begreifen müssen, dass sie ihnen damit das Leben gerettet hatte, aber sie hatte gerade eben dazu beigetragen, einen
Menschen umzubringen, und das verdaute niemand so leicht, egal unter welchen Umständen.
Verflucht, er wünschte, er hätte diese Waffe in die Hand bekommen, bevor Johnson über Bord gegangen war. Er hatte das wirklich üble Gefühl, dass er sie noch brauchen würde.
»Komm, wir gehen in die Suite zurück.«
Sie ließ zu, dass er den Arm um ihre Schulter legte und sie zurückführte. Sie nahmen den Lift; falls auf dem Lidodeck jemand zustieg, würde er annehmen, die Liebenden hätten einen nächtlichen Spaziergang unternommen. Die Wunde an seiner Stirn blutete nicht allzu stark; falls jemand die Verletzung bemerkte und sich danach erkundigte, würde er antworten, er sei hingefallen und hätte sich die Stirn an der Reling aufgeschlagen. Das war eine plausible Erklärung. Dass Jenner möglicherweise während der kurzen Aufzugfahrt jemandem etwas würde vorspielen müssen, gefiel ihm gar nicht, aber solange ihre Knie so schlotterten, konnte er mit ihr unmöglich die Treppe nehmen.
Zum Glück blieben sie im Aufzug allein, und so konnte er sie still im Arm halten, bis sie in ihrer Suite angekommen waren.
»Ich habe dir doch gesagt, du sollst …«, setzte er an.
»Hör auf.« Sie drehte sich zu ihm um und presste das Gesicht an seine Brust. »Nicht jetzt.«
Er musste den anderen mitteilen, was passiert war, aber das konnte bis zum Morgen warten. Nachdem sie im Moment nichts unternehmen konnten, brauchte er sie auch nicht aus dem Schlaf zu reißen.
Allmählich ließ Jenners Zittern nach. Er versuchte sie loszulassen, doch sie krallte sich mit beiden Händen an seinem Hemd fest.
»Ich würde es jederzeit wieder tun«, flüsterte sie.
»Denk nicht drüber nach.«
»Er hätte dich erschossen.«
Vielleicht. Vielleicht auch nicht. »Ich weiß.«
»Darum würde ich es sofort wieder tun.« Sie legte den Kopf in den Nacken und sah zu ihm
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