Nachtkuss - Howard, L: Nachtkuss - Burn
Also konnte sie genauso gut sitzen bleiben.
Wenigstens konnte sie die Zeit nutzen, um sich geistig und körperlich zu erholen. Sie fühlte sich wie nach einem
superanstrengenden Workout mit anschließendem Langstreckenlauf. Ihr Atem ging immer noch zu schnell, und ihr Herz pochte immer noch wie wild. Nach dem Adrenalinschub war ihr schwummrig und schwindlig, aber immerhin begannen die Räder in ihrem Hirn wieder ineinanderzugreifen.
Vorerst und vor allem musste sie sich damit abfinden, dass sie diesen Leuten ausgeliefert war. Sie hatten Syd. Darum musste sie alles tun, um sicherzustellen, dass sie ihren Plan erfolgreich zu Ende brachten, denn nur so konnte sie Syd helfen. Dass sie in der Öffentlichkeit alles tat, was man von ihr verlangte, hieß zwar nicht, dass sie sich ansonsten nicht mit Zähnen und Klauen zur Wehr setzen würde, aber wenn sie so tun sollte, als wäre sie bis über beide Ohren in diesen Bastard verknallt, dann würde sie ihnen ab sofort eine oscarreife Vorstellung liefern.
Sie spürte ein Brennen auf ihrem Arm, sah nach unten und entdeckte, dass sich dort, wo er sie während ihres Befreiungsversuches festgehalten hatte, die Umrisse seiner Finger im Fleisch abzeichneten. Nicht nur er hat blaue Flecken davongetragen, dachte sie, und dann begriff sie noch etwas.
»Hey«, rief sie. »Ich brauche auch Eis.«
»Zu dumm.« Cael war offensichtlich nicht geneigt, sein Eis mit ihr zu teilen.
»Sie können Ihre blauen Flecken unter einem Hemd verstecken«, rief sie wütend. »Ich habe nichts Langärmliges dabei, um meinen Arm zu bedecken, und es gibt auf diesem Schiff nicht einen Menschen, der mich kennt und es für möglich hält, dass ich mich mit jemandem einlasse, der mich misshandelt. Also sollten Sie mir lieber etwas Eis bringen, damit die blauen Flecken weggehen.«
Cael und Bridget erschienen in der Tür. Er hatte sein
Hemd ausgezogen und hielt das improvisierte Eispack in der Hand. Jenner wollte diese Muskeln gar nicht sehen, darum wandte sie schnell den Blick von der leicht behaarten, breiten Brust ab und heftete ihn auf Bridget, während sie gleichzeitig den Arm hob und die roten Streifen vorzeigte.
»Ich hole das Eis«, sagte Bridget, verschwand nach nebenan und kam ein paar Sekunden später mit dem Eiseimer zurück. Sie trug ihn ins Bad und fragte dann ein bisschen lauter: »Was habt ihr eigentlich gemacht - habt ihr zu prügeln angefangen, sobald ihr hier drin wart?«
» Sie hat angefangen«, brummte Cael. »Ich habe sie nur in den Stuhl geschubst und gefesselt.«
Damit hatte er im Grunde recht. Er hatte sich nicht mehr als nötig gewehrt, sie nicht geschlagen und sie tatsächlich erst festgebunden, nachdem sie ihn gebissen hatte. Aber wenn er glaubte, dass er sich damit bei ihr einschleimen konnte, hatte er sich bitter getäuscht. »Soll ich mich etwa entschuldigen?«, fuhr sie ihn an. »Niemand entschuldigt sich bei einem Entführer, weil ein Entführer alles verdient hat, was ihm zustößt.« Trotzdem hatte er ihr nicht unnötig wehgetan. Ihr solche Angst eingejagt, dass es sie zehn Jahre ihres Lebens gekostet hatte, das schon, aber rückblickend musste sie ihm zugestehen, dass das unvermeidbar war.
Irgendetwas Undurchschaubares lief hier ab. Aber was?
Bridget kam mit einem weiteren Handtuch voller Eis aus dem Bad und legte es um Jenners Arm. Die Kälte betäubte den stechenden Schmerz.
»Hast du alles, was du brauchst?«, fragte sie Cael. »Ich muss zurück, falls mich jemand ruft.«
»Wenn alles, was auf meiner Liste steht, da ist, bin ich einsatzbereit«, erwiderte er.
»Es ist alles da. Ich habe es zweimal überprüft.«
»Dann fange ich jetzt an. Ruf mich an, wenn er sich auf den Weg zu seiner Suite macht.«
Bridget nickte und verschwand nach draußen.
Wer ist »er«?, rätselte Jenner. Weil sie das niemals erfahren würde, wenn sie nicht fragte, sah sie Cael an. »Wen meinen Sie? Wer ist ›er‹?«
»Das geht Sie nichts an«, erwiderte er ungehalten und holte eine Reisetasche aus dem Schrank, die sie noch nie gesehen hatte. Bridget musste sie dort abgestellt haben.
»Ich bitte um Verzeihung, aber so wie es aussieht, geht es mich sehr wohl etwas an, wer er ist.« Sie deutete mit einer knappen Handbewegung auf die Plastikfessel. Sie wünschte, er hätte sich ein Hemd angezogen, weil es ihr allmählich schwerfiel, immer an ihm vorbeizusehen.
»Halten Sie den Mund, sonst werden Sie geknebelt.«
Das ist ihm durchaus zuzutrauen, dachte sie, vergaß darüber prompt,
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