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Nachtmahr - Das Erwachen der Koenigin

Nachtmahr - Das Erwachen der Koenigin

Titel: Nachtmahr - Das Erwachen der Koenigin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Schweikert
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Eiter verborgen, der das Fleisch vergiftet. Oder ist es so wie beim Phantomschmerz eines verlorenen Beins, das, selbst wenn es längst nicht mehr zu seinem Körper gehört, noch jahrelang schmerzen kann?
    Warum nur habe ich die schöne neue Haut, die sich gebildet hatte, aufgerissen?
    Weil eine schwärende Wunde so niemals heilen konnte?
    Weil sie unbeobachtet immer schlimmer wurde und mich dann irgendwann vielleicht mehr als nur schmerzende Erinnerungen kosten würde?
    Vielleicht ist aber jetzt auch die Zeit gekommen, da ich mich der Vergangenheit mit all ihrem Unheil stellen muss. Ich spüre, dass ich an einer Kreuzung stehe und mich entscheiden muss. Doch welchen Weg soll ich wählen, und wohin wird er mich führen?
    Ich weiß es nicht.
    Behutsam schlug sie das Buch zu und verstaute den Füller in ihrem Schreibschrank. Sie ahnte, dass noch viele Dämonen auf sie warteten. Sie musste Kräfte sammeln und sich wappnen, um sich ihnen stellen zu können. Aber nicht jetzt. Für heute war es genug.
    Am Sonntag überredete Jason Lorena, ihn zu ihrer Tante Ruby mitzunehmen.
    »Ich habe sie viel zu lange nicht mehr besucht«, sagte Lorena bedauernd. »Wie könnte ich da ihre Einladung zum Tee ablehnen?«
    »Musst du doch nicht«, meinte Jason. »Und vielleicht habt ihr beide ja nichts dagegen, dass ich mich euch anschließe?«
    Lorena sah ihn überrascht an. »Das würdest du tun?«
    Jason zuckte mit den Schultern. »Bevor ich einen langen Sonntagnachmittag auf deine Gesellschaft verzichte? Außerdem glaube ich, ist deine Tante eine recht patente Person. Ich erinnere mich an sie. Ich bin ihr bei unseren Schulfesten begegnet und habe mich sogar ein paar Mal mit ihr unterhalten.«
    »Ich mochte sie auch immer, obgleich es am Anfang natürlich ein wenig schwer für mich war, mich bei ihr in England einzugewöhnen. Sie ist schon ein wenig … hm … anders. Ich will jetzt nicht sagen skurril.«
    »Du meinst eben englisch«, sagte Jason mit einem Schmunzeln.
    »Ja, genau. Ruby ist streng genommen auch gar nicht meine Tante. Meine Eltern hatten keine Geschwister. Ruby ist die Nichte meiner Großmutter, also die Tochter von Großmutters jüngerem Bruder. Er ging bei Ausbruch des Krieges nach England, weil er sich da nicht mit reinziehen lassen wollte. Ich weiß gar nicht, ob er seine Frau damals schon kannte. Jedenfalls entschieden sich die beiden, nicht in Deutschland zu leben.«
    »Eine kluge Entscheidung«, sagte Jason.
    »Ja, obgleich mein Großonkel den Krieg trotzdem nicht überlebt hat. Tante Ruby wurde von ihrer Mutter großgezogen, ohne ihn je kennengelernt zu haben. Als ich zu ihr kam, lebte sie in einer Wohnung in Hampstead. Doch vor ein igen Jahren hat sie das Haus ihrer Eltern in Oxford geerbt und ist dorthin gezogen. Obgleich sie fast siebzig ist, arbeitet sie noch halbtags im Sekretariat eines Professors für Altertumswissenschaften und genießt ansonsten ihre freie Zeit. Zumindest sagt sie das immer, wenn ich mit ihr telefoniere. Ich war erst ein paar Mal dort, doch mir gefällt das alte Haus sehr gut. Es strahlt diese Atmosphäre aus, die man vermutlich nur in englischen Landhäusern findet.«
    »Jetzt hast du mich aber neugierig gemacht. Ich komme auf alle Fälle mit! Denk dir etwas aus, dass Tante Ruby nicht nein sagt. Ich wäre zu enttäuscht.«
    Lorena lächelte ihn an. »Gut, ich sage ihr, dass ich in Gesellschaft komme. Sie wird sich freuen.«
    Tante Ruby, ich komme mit einem Bekannten? Mit meinem Freund? Meinem Geliebten? Meinem Lebensgefährten?
    Nein, das war zu viel des Guten. Sie kannten sich zwar schon seit ihrer Schulzeit, doch ihre Beziehung war noch viel zu jung, um so etwas zu sagen. Und doch spürte Lorena, dass dieses Wort Sehnsucht in ihr auslöste. War sie nicht schon viele Jahre rastlos auf der Suche und wollte endlich zur Ruhe kommen?
    Das wirst du nie!, ertönte diese gnadenlose Stimme in ihrem Innern und holte sie brüsk in die Wirklichkeit zurück. Du bist keine normale Frau, die sich verliebt, heiratet und Kinder bekommt.
    Danke! Das hätte sie fast für einen Moment vergessen.
    Bitte, gern geschehen. Was? Du weinst dem doch nicht etwa nach? Würdest du wirklich mit so einem armen, dummen Hascherl tauschen, das nichts in der Welt zu erwarten hat als einen Mann, Kinder und einen Haushalt?
    Ganz so drastisch musste man es ja nicht gleich sehen, aber was sollte falsch sein an einem Ehemann, an einem eigenen Heim und an Kindern?
    Es war ihr, als ließe ein ärgerliches Brummen tief in ihren

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