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Nachtmahr - Das Erwachen der Koenigin

Nachtmahr - Das Erwachen der Koenigin

Titel: Nachtmahr - Das Erwachen der Koenigin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Schweikert
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Eingeweiden ihren Leib vibrieren. Sie dachte schon, die Diskussion sei beendet, als sie die Stimme noch einmal vernahm.
    Du bist etwas ganz Besonderes. Einzigartig! Du bist viel zu schade für ein Leben, das unbemerkt in der Durchschnittlichkeit verloren geht. Du bist ein Nachtmahr, vergiss das nicht! Das Leben hat noch viel mit dir vor.
    Ach, noch mehr als einen Mann suchen und Kinder bekommen?
    Lorena horchte in sich hinein, doch die Stimme ließ sich nicht provozieren. Sie schwieg.
    Einzigartig , wiederholte Lorena in ihren Gedanken. Ja, das war sie mit ihrem nächtlichen Mahr in sich ganz bestimmt. Doch bedeutete einzigartig automatisch auch gut? Waren nicht auch die Missgeburten, die man im Mittelalter auf Jahrmärkten ausstellte, damit sie jeder mit Schaudern betrachten und begrapschen konnte, einzigartig gewesen? Man hatte sie ausgestellt und sich gegruselt oder sie verfolgt und vernichtet. Die Menschheit hatte das Anderssein noch nie bewundert und verehrt. Was zu sehr von der Norm abwich, war mit dem Verstand nicht zu fassen und löste Furcht aus. Und was die Menschen fürchteten, versuchten sie zu vernichten.
    War das nicht auch so in dem Film gewesen, den sie vor einigen Abenden mit Jason gesehen hatte? Van Helsing , eine Kinoproduktion aus dem Jahr 2004, in der der legendäre Vampirjäger nicht nur Blutsaugern hinterherjagt, sondern auch auf Dr. Frankensteins Monster trifft. Ein Monster nur in seiner äußeren Erscheinung, doch das genügte dem Mob, es in die Enge zu treiben und zu vernichten.
    Was würde der Mob mit ihr anstellen, sollte sie sich ihm offenbaren? Nun gut, der Nachtmahr war kein hässliches Monster und die Londoner kein Mob armer, transsylvanischer Bauern, und dennoch …
    Nein, Lorena wollte es lieber nicht ausprobieren, auch wenn in Europa in den vergangenen zweihundert Jahren keine Hexen mehr auf Scheiterhaufen verbrannt worden waren. Offenheit und Toleranz waren allzu häufig nur ein falscher Schein, dünner als eine Schicht Blattgold und lange nicht so haltbar!

Kapitel 12
LUCY
    Sie fuhren mit Jasons Morris nach Oxford. Nachdem sie den Londoner Verkehr hinter sich gelassen hatten, war es eine Strecke von nicht einmal einer Stunde. Gemütlich schnurrend folgte der Oldtimer der Straße nach Nordwesten, durch herbstlich gefärbte Alleen und noch immer saftig grüne Wiesen. Ein paar Pferde grasten friedlich auf der Weide, während ein frischer Wind graue Wolken über den Himmel jagte. Vermutlich würde es noch regnen, doch das war für einen Sonntag Ende Oktober ja nichts Ungewöhnliches.
    Es war für keinen englischen Sonntag im Jahr etwas Ungewöhnliches!
    Sie erreichten Oxford rechtzeitig vor der Teezeit. Lorena ließ ihren Blick über die altehrwürdigen, im Viereck angeordneten Gebäude der Colleges wandern, die mit ihren grünen Innenhöfen mehr an Klosterbauten erinnerten und so gar nichts mit der modernen Ausbildungsstätte gemein zu haben schienen, in der Lorena ihre Studienjahre verbracht hatte.
    »Ich glaube, ich hätte gern an solch einer Uni studiert«, sagte sie.
    »Warum? Gefallen dir nur die Gebäude, oder glaubst du, hier weht noch der Geist der großen Geschichte durch zugige Gänge?«
    Lorena schüttelte den Kopf. »Spotte du nur. Ich bin überzeugt, dass es hier noch die ein oder andere ruhelose Seele gibt, aber das tut nichts zur Sache. Der Ort hat einfach etwas Erhabenes, und ich stelle es mir wundervoll vor, in einer Umgebung zu lernen, die über Jahrhunderte so viele große Geister hervorgebracht hat.«
    »Rein männliche Geister!«, warf Jason ein. »Zumindest bis 1878, bis das erste Frauencollege gegründet wurde.«
    Tante Rubys Haus befand sich auf der anderen Seite des Cherwell, der hier ein Stück weiter südlich in die Themse floss, die die Oxforder gern Isis nannten. Sie querten den ruhigen Flussarm mit seinen Stocherkähnen über die alte Magdalen-Brücke und bogen dann links in die St. Clement Street.
    Jason folgte der Straße, bis sie einen leichten Knick machte. Hier an der Ecke stand das rotbraune Backsteinhaus mit den zwei Giebeln, a us denen jeweils ein Erker mit zwei Rundbogenfenstern hervorsprang. Vier Kamine ragten aus dem mit dunklen schieferartigen Platten gedeckten Dach auf. Eine Mauer und ein schmiedeeisernes Tor umschlossen den sorgsam gepflegten Garten. Eine alte Kastanie reckte ihre dicken Äste bis über die Straße hinaus. Die späten Rosenblüten sorgten noch für Farbe, ehe der Winter mit seinem Graubraun Einzug halten würde.
    Tante Ruby

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