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Nachtnelken - Ein Altmarkkrimi (Judith Brunners vierter Fall) (German Edition)

Nachtnelken - Ein Altmarkkrimi (Judith Brunners vierter Fall) (German Edition)

Titel: Nachtnelken - Ein Altmarkkrimi (Judith Brunners vierter Fall) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heike Schroll
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diesen Milieus an, aus denen Kinder wegliefen oder das die Kinder zum Rumtreiben verleitet, dachte Judith und fragte: »Wissen Sie, wo Ilonas Vater sich zurzeit aufhält? Vielleicht ist sie ja zu ihm gefahren?«
    »Warum sollte sie? Er wohnt bei Berlin, in Hohen Neuendorf. Wie wollte Ilona da auch hinkommen? Sie fährt nicht Moped und ihr Fahrrad steht noch im Schuppen.«
    »Haben sie schon mit Ihrem Bruder gesprochen?«
    »Nein, er ist im Moment für ein paar Tage dienstlich in Prag. Oh Gott, hoffentlich ist Ilona wieder da, bis er zurückkommt. Was soll ich ihm denn sonst sagen?«
    Um nicht auf diese Frage eingehen zu müssen, bat Judith Brunner um weitere Angaben zu Ilonas Vater: Ewald Eichner war 42 Jahre alt, in Kalbe an der Milde geboren, zum Studium nach Berlin gegangen und arbeitete danach ohne Unterbrechung beim Ministerium für Außenhandel, wo er offenbar eine steile Karriere gemacht hatte, wenn man den Aussagen seiner Schwester zu seinem Gehalt, seinen Urlaubsorten und den Dienstreisen folgte. Judith Brunner hoffte ebenfalls, dass sie den Mann nicht von seinen dienstlichen Verpflichtungen abhalten und herbemühen müsste und sich für Ilonas Abwesenheit ein Umstand fand, der im familiären Rahmen geklärt werden konnte. Doch ihre Erfahrung als Polizistin sagte ihr etwas anderes. Vierzehnjährige Mädchen aus Verhältnissen, wie sie Clara Eichner geschildert hatte, verschwanden nicht eben mal so. »Haben Sie ein Foto von Ilona für uns? Am besten, ein aktuelles. Das könnten wir für eine erweiterte Suche gebrauchen.«
    Clara Eichner war froh, etwas tun zu können. Sie stand auf und holte ein gerahmtes Bild aus dem Nachbarzimmer. Es zeigte die professionelle Porträtaufnahme eines hübschen Mädchens, dessen Gesichtsausdruck Scheu, aber auch etwas Stolz zeigte. Clara Eichner erklärte: »Zu ihrer Jugendweihe wurden die Fotos gemacht. Das war erst im April. Ihr Vater ist extra mit ihr nach Gardelegen ins Atelier gefahren. Das Foto hier gefiel mir am besten.«
    »Dürfen wir es nutzen?«
    »Oh. Nehmen sie doch bitte nicht dieses. Ich habe noch andere Aufnahmen. Warten Sie.«
    Als Clara Eichner wiederkam, zog sie ein paar Abzüge aus einem großen Umschlag heraus und breitete sie vor Judith Brunner auf dem Couchtisch aus. »Suchen Sie sich bitte eins aus«, forderte sie die Polizistin jetzt auf.
    Eine Aufnahme zeigte Ilona mit ihrem Vater, einem fotogenen, attraktiven Mann. Er saß mit seiner Tochter auf einer Bank neben einem Arrangement künstlicher Blumen und hatte ihr väterlich den Arm um die Schulter gelegt. Judith war sich sicher, dass der Mann in der Realität anders aussehen würde. Dann wählte sie eine Porträtaufnahme von Ilona im Halbprofil aus, welche die meisten Details vom Gesicht des Mädchens zeigte.
    »Sie bekommen das Foto zurück«, versprach sie. »Ich lasse in meinem Labor Abzüge davon machen und bringe es Ihnen dann wieder vorbei.«
    »Danke. Das wäre schön.« Man sah es Clara Eichner an, dass die Fotografien ihr viel bedeuteten.
    Judith Brunner fragte: »Dürfte ich mir Ilonas Zimmer ansehen?«
    »Ja, sicher. Ich zeige es Ihnen.« Clara Eichner ging voran in das Dachgeschoss. Zwei kleine Kammern waren ausgebaut. »Hier schlafe ich und dort Ilona«, wies sie auf die hintere Zimmertür und öffnete sie.
    Der kleine Raum wirkte bunt und voll, aber nicht unaufgeräumt. Die Möbel waren eher etwas zu vornehm für einen Teenager; wahrscheinlich hatte Ilonas Vater sie nach seinem Geschmack gekauft. Auf dem flüchtig gemachten Bett saßen am Kopfende eine Reihe abgenutzter Plüschtiere, Poster der angesagten Bands klebten an den Schranktüren, Fotos und Musikkassetten lagen herum, Schulbücher stapelten sich auf dem kleinen Schreibtisch. Judith Brunner fiel auf den ersten Blick nichts Außergewöhnliches auf. »Führt Ilona ein Tagebuch?«
    »Nicht dass ich wüsste.«
    »Hat Ilona schon einen Freund?«
    »Nein, das glaube ich nicht. Ilona ist zwar nicht unscheinbar, ganz im Gegenteil, aus ihr wird mal eine richtige Schönheit werden, doch ob die Jungen in ihrem Alter das schon erkennen? Sie ist eher ein bisschen schüchtern und in ihrem Kleidergeschmack zurückhaltend; wenn ich mir da so manche ihrer Schulfreundinnen ansehe ...« Clara Eichner verstummte und machte sich auf den Weg nach unten.
    Judith Brunner eilte ihr hinterher und versuchte, das Gespräch wieder aufzubauen. Verbindlich lächelnd fragte sie: »Ob ich wohl eine Tasse Kaffee bekommen könnte?«
    »Gerne, aber es wird einen

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