Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Nachtnelken - Ein Altmarkkrimi (Judith Brunners vierter Fall) (German Edition)

Nachtnelken - Ein Altmarkkrimi (Judith Brunners vierter Fall) (German Edition)

Titel: Nachtnelken - Ein Altmarkkrimi (Judith Brunners vierter Fall) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heike Schroll
Vom Netzwerk:
gewesen. Allzu kalt dürfte dem Mädchen nicht geworden sein.
    »Was bedeutet das wohl, wenn das Kind so lange vermisst wird?«, fragte Grambow voller Sorge. Eine Antwort konnte Judith Brunner ihm nicht geben, vermutete aber, dass es gestern für die Mutter besser gewesen wäre, sich an den jungen Polizisten im Dorf zu wenden, als in der Kreisstadt um Hilfe nachzusuchen.
    »Ich sehe erst einmal bei Clara Eichner vorbei, will mir selber ein Bild von den häuslichen Verhältnissen machen. Sie erreichen mich dort, falls sich etwas ergibt«, teilte sie Ernst Grambow mit und ließ sich dann den Weg erklären.
     
Noch ehe sie den Hauseingang erreicht hatte, wurde die Tür des kleinen Bauernhauses aufgerissen und eine gespenstisch durchsichtig aussehende Frau rief heraus: »Haben Sie sie gefunden?«
    Als Judith Brunner wortlos den Kopf schüttelte, drohte Clara Eichner zusammenzubrechen. Stützend griff die Polizistin sie am Arm und geleitete sie zurück in das kleine Wohnzimmer, zu dem die Tür offen stand. »Bitte setzen Sie sich.«
    Clara Eichner gehorchte, ließ sich steif auf ihrem Sofa nieder und verharrte unbeweglich, ohne auch nur die Rückenlehne zu berühren.
    »Kann ich etwas für Sie tun? Möchten Sie vielleicht ein Glas Wasser?«, versuchte Judith Brunner, die verzweifelte Frau zu erreichen.
    »Wo ist sie nur? Ich habe doch schon überall gefragt.«
    »Wir suchen mit allen Leuten, die wir haben, nach Ihrer Tochter. Bald wissen wir mehr«, versprach Judith, wohl wissend, dass diese Ankündigung nicht nur gute Nachrichten einschloss. »Ich bin Judith Brunner, von der Polizei in Gardelegen«, stellte sie sich dann vor.
    Clara Eichner sah sie an und teilte dann unvermittelt mit: »Ilona ist nicht meine Tochter. Sie ist meine Nichte.«
    »Ah. Und was ist mit ihren Eltern?« Judith Brunner war erleichtert, dass es zu einem offenen Gespräch kam. Sie brauchte so viele Informationen wie möglich.
    »Die lebten seit Langem getrennt, ließen sich scheiden und vor zwei Jahren starb plötzlich Ilonas Mutter. Mein Bruder glaubte, da ich ledig bin – und eine Frau, wie er betonte –, könne ich mich um Ilona kümmern.« Clara Eichner klang nicht verbittert, eher ergeben.
    »Nanu, warum kümmert er sich nicht selbst um seine Tochter? Gerade in dieser schwierigen Situation, wenn die Mutter verstorben ist?«
    »Er ist der Ansicht, eine Frau könne das besser als ein Mann. Etwas altmodisch. Nicht wahr? Und als Vater war mein Bruder sowieso nicht besonders, na ja, solide.«
    Den Ausdruck fand Judith Brunner merkwürdig. »Können Sie mir das ein wenig erklären?«
    »Nun, er arbeitet viel im Ausland. Reist ständig umher. Ist im Außenhandel tätig und, wissen Sie, ich denke, er hat auch allerhand Frauengeschichten am Laufen. Da kann er seiner halbwüchsigen Tochter kaum die nötige Aufmerksamkeit schenken.«
    Das wollte Judith lieber nicht kommentieren. »Woher wissen Sie das mit den Frauengeschichten?«
    »Einmal im Jahr fährt er mit Ilona in den Urlaub, immer was ganz Tolles. Balaton, Taschkent oder ans Schwarze Meer. Richtig teure Reisen. Und in den letzten Jahren ist Ilona aufgefallen, dass er sich dort immer Freundinnen sucht. Ilona ist ja in dem Alter, in dem sie so etwas durchaus bemerkt. Wissen Sie, mein Bruder ist ein gut aussehender Mann, hat Geld, ist ungebunden – da findet er schnell eine nette Begleitung.«
    Die Gelassenheit, mit der dieser Euphemismus vorgetragen wurde, erstaunte Judith Brunner schon etwas. »Und Sie dürfen inzwischen sein Kind großziehen?«
    »Mein Bruder verdient gut. Er zahlt mir generös den Unterhalt für das Mädchen. Da bleibt sogar für mich noch etwas übrig. Und außerdem mag ich Ilona. Ich habe sie wirklich gern aufgenommen. Schon als sie noch ein kleines Kind war, hatte ich sie oft bei mir. In der Ehe ihrer Eltern gab es viel Streit. Das kennt sie hier bei mir nicht. Sicher, wir haben auch unsere Meinungsverschiedenheiten, immerhin ist sie vierzehn, was nicht gerade ein einfaches Alter ist, aber bisher haben wir immer eine Lösung gefunden, miteinander auszukommen. Hier bei mir fühlte Ilona sich schon immer wohl. Wir verstehen uns bestens, sie ist ein zugängliches, fleißiges Mädchen. In der Schule kommt sie nun in die neunte Klasse. Ilona interessiert sich für die Natur. Vielleicht bleibt sie sogar auf dem Lande. Ich habe volles Vertrauen zu ihr.« Während dieser Aufzählung war die Stimme von Clara Eichner immer kraftloser geworden.
    Das hörte sich nicht nach einem von

Weitere Kostenlose Bücher