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Nachtprogramm

Nachtprogramm

Titel: Nachtprogramm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Sedaris
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da begrapschen? und (c) der Boss ließ mich rauchen.«
    Der Lohn war niedriger als bei fr üheren Jobs, aber sie blieb dennoch fast ein ganzes Jahr, bis der Besitzer ankündigte, er werde Urlaub machen, weil seine weitläufige Verwandtschaft ein Familientreffen in Providence veran stalte. Die Bäckerei bliebe in den ersten beiden Oktoberwochen geschlossen, und die Angestellten müssten ohne Lohn auskommen. Tiffany besitzt weder Kreditkarten noch einen Telefonanschluss für Fernverbindungen. Ihr ganzes Geld fließt in die Miete und den Kabelanschluss, sodass sie die Ferien zu Hause vor dem Fernseher verbrachte, auf ihren leeren Bauch trommelte und zusehends schlechtere Laune bekam. Zwei Wochen später ging sie wieder zur Arbeit und fragte ihren Boss, ob er sich bei dem »Itaker-Auflauf« amüsiert habe. Normalerweise weiß sie ganz genau, wie weit sie bei jemandem gehen kann, aber diesmal hatte sie sich verschätzt. Als wir an der Bäckerei vorbeifahren, schnippt sie ihre Zigarette aus dem Fenster. »Itaker-Auflauf«, sagt sie »Wie kann jemand das nicht lustig finden?«
    Nach dem Italiener kam die Rikscha und die R ückkehr zur Arbeit in den frühen Morgenstunden, wie damals, als sie in der Küche des Restaurants gestanden hatte. Doch wenn jetzt alle Welt schläft, macht sie sich daran, den Abfall anderer Leute zu durchwühlen. Sie zieht mit einer Taschenlampe und Gummihandschuhen los und fischt erstaunlich viele Zähne aus dem Müll. »Aber keine wie ihre«, sagt sie unserem Taxifahrer. »Die meisten sind künstlich.«
    »Die meisten?«, frage ich.
    Sie greift in ihren Rucksack und drückt mir zwei lose Backenzähne in die Hand. Der eine ist klein und hell wie ein Milchzahn, der andere ist ein richtiger Brocken und sieht aus, als hätte man ihn irgendwo aus der Erde gezogen. Ich klopfe damit gegen die Scheibe, überzeugt davon, dass es sich um einen Plastikzahn handelt. »Wer würde einen echten Zahn einfach weg schmeißen?«, frage ich.
    »Ich nicht«, sagt der Fahrer, der sich zwischendurch immer mal wieder in unsere Unterhaltung einmischt, seit Tiffany ihm erlaubt hat zu rauchen.
    »Sicher«, sagt sie. »Sie würden das nicht machen. Jeder andere, zumindest jeder Amerikaner, denkt sich, raus und weg damit. Was bei uns den Leuten aus dem Mund fällt, landet im Müll, Daddy«.
    Neben Zähnen findet meine Schwester auch Geburtstagskarten und Ponys aus Keramik. Wütende Briefe an Kongressabgeordnete, die nie abge schickt wurden. Unterhosen. Talismankettchen. Kleinere Fundstücke stopft sie in ihren Rucksack, alles andere landet in der Rikscha und anschließend in ihrer Wohnung. Ist irgendwo jemand gestorben, fährt sie in einer Nacht drei- oder viermal und schleppt alles ab, vom Lehnsessel bis zum Papierkorb.
    »Letzte Woche hab ich einen Truthahn gefunden«, erklärt sie uns.
    Ich warte auf den zweiten Teil des Satzes: »Ich habe einen Truthahn gefunden ... den jemand aus Pappmache gebastelt hatte. Ich habe einen Truthahn gefunden ... und ihn hinterm Haus vergraben.« Als klar wird, dass kein zweiter Teil kommt, werde ich stutzig. »Was soll das heißen, du hast einen Truthahn gefunden?«
    »Tiefgefroren«, sagt sie. »Im Abfall.«
    »Und was hast du damit gemacht?«
    »Na ja, was machen die meisten Leute schon mit einem Truthahn?«, sagt sie. »Ich habe ihn gebraten und dann gegessen.«
    Sie stellt mich auf die Probe, und ich falle durch, weil ich genau die langweiligen Dinge sage, die man von einem gesetzten Mann erwarten darf. Dass der Truthahn mit Sicherheit aus gutem Grund fortgeworfen wurde. Dass er wom öglich vom Erzeuger zurückgerufen wurde, wie eine Liefe rung verdorbener Fischstäbchen »Vielleicht hat auch jemand dran herumgemacht.«
    »Wer würde freiwillig einen tiefgefrorenen Truthahn ficken?«, fragt sie.
    Ich versuche mir eine solche Person vorzustellen, aber es klappt nicht. »Na gut, vielleicht war er aufgetaut und wurde nachher wieder eingefroren. Das ist gefährlich, oder?«
    »Du solltest dich reden hören«, sagt sie. »Wenn er nicht von Balducci’s stammt und mit Polenta und wilden Minieicheln gemästet wurde, kann er nur gefährlich sein.«
    So hatte ich das überhaupt nicht gemeint, doch als ich mich zu rechtfertigen versuche, legt sie dem Fahrer eine Hand auf die Schulter. »Wenn Ihnen jemand einen völlig normalen Truthahn anbieten würde, würden Sie ihn nehmen, nicht wahr?«
    Der Mann bejaht, und sie streichelt ihm den Kopf. »Mama mag dich«, sagt sie.
    Sie hat ihn auf ihre Seite

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