Nachtsafari (German Edition)
wirbelten durch ihren Kopf, wütende Zulus mit Hackbeilen und Kampfstöcken, Scheußlichkeiten, die in der Zeitung gestanden hatten, die Stimmen bedrängten sie. Marcus, Vilikazi, Rob Adams. Karen McKillop.
Lauf weg, riefen sie. Die sind bewaffnet, die sind gefährlich! Das sind alles Gangster .
Ihre Augen brannten vor Tränen. Sie starrte auf die Waffen, und ihr Traum von Afrika löste sich in einer roten Wolke von Gewalt auf. Plötzlich von der Situation überwältigt, sank sie in die Knie, verbarg ihren Kopf in den Armen und weinte lautlos.
Tiefe Stimmen drangen durch die Nacht zu ihr hinüber, süß wie dickflüssiger Honig. Eine seltsam beruhigende Melodie, die auf einmal alle schlimmen Bilder auslöschte. Stattdessen hörte sie Lachen, und unvermittelt meinte sie Jasminduft zu riechen, und ihr Herz tat einen Doppelschlag. Wenn sie Marcus finden wollte, musste sie das Risiko eingehen. Sie richtete sich auf und holte tief Luft. Ungeachtet des Lärms, den sie verursachte, lief sie durchs Gestrüpp auf die Gruppe zu. Kaum hatte sie den Saum des Buschs erreicht, schlugen zwei Hunde an. Sie blieb wie angewurzelt stehen. Das Bellen steigerte sich, wurde heiser, abgehackt, und sie musste ihre ganze Selbstbeherrschung aufbieten, um nicht schreiend zu fliehen. Das Bellen schlug in Jaulen um, und sie vernahm Gerassel und helles Klirren. Die Tiere waren offensichtlich angekettet. Sie stählte sich innerlich und trat entschlossen in den Lichtkreis der Flammen. Ihre Nerven waren zum Zerreißen angespannt. Durch die Rauchschwaden sah sie die Hunde, die am Ende ihrer Ketten wie wahnsinnig tobten.
Dem Mann, der sie zuerst bemerkte, blieb bei ihrem Anblick ungläubig der Mund offen stehen. Er drehte den Schirm der blauen Baseballkappe, die er seitwärts aufgesetzt hatte, nach hinten und betastete regelrecht ihre mit Schlamm besudelte Gestalt mit den Augen. Nach eingehender Musterung lachte er laut los, stieß seinen Nachbarn an und sagte etwas auf Zulu. Seine Kumpane drehten sich um, gafften Silke kurz an und brachen dann ebenfalls in Gelächter aus.
Aber in Silkes Ohren war das kein fröhliches Lachen. Es klang für sie eher wie triumphierendes Jagdgeläut, das jeden Moment in aggressives Knurren umschlagen konnte. Der mit der blauen Baseballkappe stemmte sich langsam auf die Beine. Er war eine beeindruckende Erscheinung. Groß, muskulös und wohlgenährt. Silke sah ihm beklommen entgegen. Im Gegensatz zu seinen Freun den, die mehr oder weniger abgerissene blaue Overalls trugen, war er auch recht gut gekleidet. Kariertes Hemd, Jeans und brandneue Sneakers einer bekannten deutschen Marke. Er strahlte eine natürliche Autorität aus, und sie nahm an, dass er der Anführer der Gang war.
Nun standen auch die anderen auf und machten ein paar Schritte auf sie zu. Einer griff nach einem Hackbeil. Das Metall blinkte im Feuerschein.
Obwohl sie für einen Moment eine Welle von Panik niederkämpfen musste, blieb Silke eisern stehen, wich den Blicken nicht aus. »Hi«, sagte sie. »Könnt ihr mir bitte helfen?«
Das Ergebnis war sprachlose Fassungslosigkeit.
Schließlich fasste der Typ mit der Baseballkappe sich als Erster. Er lehnte sich vor, ließ seinen Blick enervierend langsam über sie wandern, blieb an ihren wunden Füßen hängen.
»He«, krächzte er rau und klickte ein paar Worte auf Zulu.
Mit einer hilflosen Geste hob Silke die Schultern. »Ich verstehe eure Sprache nicht«, sagte sie auf Englisch.
»Was willst du?«, wiederholte der Mann, nun auch auf Englisch. Sein Ausdruck war misstrauisch, der Ton barsch.
Silke schluckte trocken. »Ich weiß nicht, wo ich bin. Ich habe … einen Unfall gehabt, und mein Telefon ist weg.«
»Einen Unfall? Mit dem Auto?«, fragte der Zulu.
Was sollte sie darauf antworten? Wir sind von Elefanten angegriffen und fast zu Brei getrampelt worden, dann hat ein schwarzer Ran ger meinen Mann entführt und die, die mich retten sollte, hat mich aus dem Wagen gestoßen und allein in der Nacht zurückgelassen? »Ja«, sagte sie kurz.
»Wo ist es?« Die unergründlichen Augen glitzerten.
»Im Umfolozi-Reservat«, antwortete sie wahrheitsgemäß.
»Ah«, murmelte der Mann mit der Baseballkappe nach einem Augenblick und lachte. »Wir werden dir helfen.«
Wie er das sagte, klang es fast drohend in Silkes Ohren, aber sie rührte sich nicht vom Fleck.
»Umfolozi ist groß«, fuhr der Mann fort. »Wo ist dein Auto? Wir holen es für dich.«
Seinem Gesichtsausdruck nach zu urteilen, schien der
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