Nachtsafari (German Edition)
und dann tendiert sie dazu, unsinnige Dinge zu sagen.«
Silke nickte nur. Was hatte Kirsty gemeint? Wann war Marcus in Angola gewesen? Warum? Die Fragen prasselten auf sie ein. »Was war in Angola?«
»Grenzkrieg«, antwortete Jill und sah sie dabei nicht an. »Bürgerkrieg, in den sich Südafrika eingemischt hat. Auf der Seite der Regierungstruppen.«
Silke starrte sie an. Krieg? Ihre Gedanken liefen Amok. Was hatte das mit Marcus zu tun? Mit gesenktem Kopf stand sie regungslos da, hatte das Gefühl, dass ihr Leben gerade wie ein baufälliges Gemäuer zusammenbrach. Nur mühsam riss sie sich zusammen und hielt mit gequältem Lächeln ihr Handy hoch.
»Ich bin ja nun wenigstens wieder ein halber Mensch. Man ist ja heutzutage völlig amputiert ohne Telefon, nicht wahr … gar nicht handlungsfähig …« Sie redete zu schnell, um die Fragen, die ihr im Kopf herumrasten, nicht hören zu müssen. Aus den unergründlichen Tiefen ihrer Gedanken schoss einer an die Oberfläche, der ihr sofort akute Magenschmerzen verursachte.
»Herrje, ich muss den Vater von Marcus anrufen. Er hat ein Recht zu erfahren, was hier vorgefallen ist.« Sie blätterte durch die Kontakte in ihrem Telefon. »Entschuldigt mich bitte.« Sie trat ans Fenster, wählte und zuckte zusammen, als Henri Bonamours scharfe Stimme an ihr Ohr drang.
»Bonamour«, bellte der ehemalige Richter.
Silke nannte ihren Namen und setzte zu einer Erklärung an, war bestrebt, sich auf das Wesentliche zu beschränken.
»Sie und Marcus sind wo?«, unterbrach sie Marcus’ Vater nach ihren ersten Worten ungläubig. Sein Ton war scharf.
»In Südafrika, KwaZulu-Natal, um genau zu sein. Marcus muss bei einer Mine nach dem Rechten sehen, von der wir erst hier erfahren haben, dass die Ihnen gehört.«
Der Richter lachte kalt. »Ach, das hat er Ihnen erzählt?«
Die Implikation der Bemerkung war zweideutig. Meinte er, dass Marcus gelogen hatte, oder war er erstaunt, dass sein Sohn ihr Derartiges erzählte? Ihr war das nicht klar, deswegen antwortete sie ihm nicht, sondern berichtete hastig, was weiter geschehen war. Marcus’ Vater hörte zu und unterbrach sie nicht noch einmal.
»Marcus und dieser Ranger Mandla haben miteinander gekämpft, ich wurde von einem Blitz geblendet … als ich wieder etwas erkennen konnte, waren beide verschwunden. Mehr weiß ich nicht. Wir versuchen alles, um ihn zu finden«, schloss sie lahm.
»Mandla«, murmelte der Richter. »Sieh einer an.«
Silke fiel auf, dass er den Namen auf der zweiten Silbe betonte, wie Napoleon de Villiers es tat.
»Wer weiß von dem Ganzen?«, fragte er, bevor sie reagieren konnte.
»Ach, alle hier«, antwortete sie unsicher. »Mir ist von den Besitzern einer Lodge sehr geholfen worden. Die und deren Freunde haben jeden in Zululand kontaktiert, den sie kennen, und das sind praktisch alle in der Gegend. Auch die Polizei ist informiert. Sie meinen, dass sich über kurz oder lang jemand meldet, der weiß, wo Marcus festgehalten wird.«
Schweigen begrüßte ihre Worte. Sie wollte sie eben wiederholen, weil sie annahm, dass er sie nicht verstanden hatte, als Henri Bonamour antwortete. »Das ist anzunehmen«, sagte er und legte auf.
Verblüfft ließ Silke das Handy sinken. Was sollte das nun wieder heißen? Alle Bemerkungen des alten Richters schienen kryptisch zu sein, und sie wusste einfach nicht, was sie davon halten sollte. Auf Jills Frage, wie der Vater die Nachricht aufgenommen hatte, wusste sie keine eindeutige Antwort zu geben. Sie zuckte mit den Schultern. »Er hat aufgelegt. Einfach so.«
»Übrigens, sollte die Presse von der Entführung Wind bekommen, wirst du keine Ruhe mehr haben. Die werden dir überall auflauern«, wandte Nils ein. »Sei ein bisschen umsichtig und leg dir am besten eine zensierte Kurzversion der Geschichte zurecht.«
Diesen Aspekt hatte sie überhaupt noch nicht bedacht. Mit der Presse hatte sie noch nie etwas zu tun gehabt. »Eine Kurz version?«, wiederholte sie geistesabwesend. »Okay. Ich werde darüber nachdenken. Aber irgendwie muss ich nach Umfolozi kommen …« Eine Pressemitteilung war ihre allerletzte Priorität, außerdem bezweifelte sie, dass jemand an ihr interessiert sein könnte.
»Jonas muss ohnehin ins Game Capture Centre, um einige meiner Tiere zur nächsten Versteigerung anzumelden«, unterbrach sie Jill und hob das Funkgerät. »Ich frage mal nach, ob er dich mitnimmt.« Nach einem kurzen Wortwechsel auf Zulu schaltete sie das Gerät wieder aus. »Das ist
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