Nachtsafari (German Edition)
Dass du damals, in Angola …«
Marcus musterte ihn mit zusammengezogenen Brauen. »Ja, verdammt«, rief er ungeduldig, »ich hatte mit dem Monster Pienaar nichts zu tun. Ist das der Grund, warum du mich gekidnappt hast, du blöder Kerl?« Er fixierte ihn wütend. »Das tragen wir nachher aus, jetzt haben wir keine …« Aber er kam nicht weiter.
Mandla machte einen Schritt auf Marcus zu, packte ihn an beiden Ohren, zog sein Gesicht zu sich heran und drückte ihm einen schallenden Kuss auf die Lippen. Breit grinsend trat er daraufhin zurück.
Marcus starrte ihn mit offenem Mund an, zu überrascht, um einen klaren Gedanken zu fassen.
»Wir haben keine Zeit, ich weiß«, sagte Mandla, noch immer mit diesem etwas albernen Grinsen im Gesicht. »Ich hab deine Frau gehört. Wir müssen auf die andere Seite vom Feuer gelangen, und ich kenne hier jeden Grashalm. Ich werde dich zu ihr bringen. Ich schulde dir was.«
Endlich fand Marcus seine Stimme wieder. »Rechtsrum oder linksrum, du verrückter brauner Affe?«, krächzte er.
Mandla lachte, drehte sich wortlos um und joggte so schnell davon, dass Marcus Schwierigkeiten hatte, ihm zu folgen. Sie rannten querfeldein, durch Büsche, deren Zweige Marcus ins Gesicht peitschten, über geröllbedeckte Wege und eine Anhöhe hoch.
»He, warte mal«, rief Marcus und blieb auf der Anhöhe ste hen. Konzentriert ließ er seine Augen über das Flammenmeer flie gen, in der verzweifelten Hoffnung, Silke zu finden.
»Siehst du sie?«, flüsterte er.
»Cha!«, gab Mandla zurück. »Nein.« Es klang wie das Fallen eines Beils.
Marcus erschauerte. Es war unmöglich, etwas hinter den schwar zen Rauchwolken zu erkennen, obwohl es ihm so erschien, als ob das Feuer allmählich in sich zusammenfiel, und auch, dass in seiner Mitte ein kreisförmiger Bereich davon verschont worden war. Doch die tanzenden Feuerzungen, die Hitzeschlieren und Rauchschwaden konnten seine Wahrnehmung auch täuschen. Es war sinnlos, von hier aus weiterzusuchen.
»Okay, hamba!«, rief er und sprang in großen Sätzen von dem Hügel herunter in den verbrannten Bereich.
Das Feuer fand tatsächlich kaum noch Nahrung, die Flammen waren niedrig, züngelten nur noch, die Holzstämme glühten, aber sie brannten nicht mehr lichterloh. Marcus hatte freien Blick über den Brandherd.
Und dann sah er das verkohlte Etwas, einen verkrümmten Körper, einen Kopf mit gebleckten Zähnen, die Arme wie um Hilfe flehend halb hochgereckt, die Beine angezogen. Ihm wurde schwarz vor Augen, und er ging in die Knie. Mandla fing ihn auf, bevor er in die heiße Asche fiel, und stellte ihn wieder auf die Beine. Vornübergebeugt wartete Marcus, dass sich der schwarze Vorhang vor seinen Augen hob.
»Sssss«, machte es neben ihm.
Mühsam zwang er sich, die Augen zu öffnen, und entdeckte Thoko, der vor ihm hockte und ihn mit glücklichem Ausdruck angrinste.
»Icht heisse rau …«, zischelte er.
»Was?« Marcus rappelte sich auf. Er hatte nichts von Thokos Gezischel verstanden, hatte auch keine Zeit, lange darüber nachzudenken.
Thoko wiederholte die Laute, begleitete sie mit aufgeregten Handbewegungen, zupfte ihn an seinem Bein. Marcus sah auf ihn hinunter. Hicht heisse rau?, murmelte er für sich. »Hicht heisse rau?«, fragte er laut.
»Icht heisse rau«, bestätigte Thoko mit ängstlichem Gesichtsausdruck.
»Icht heisse rau«, sagte Marcus noch einmal sehr langsam, und dann verstand er auf einmal. »Nicht weiße Frau? Meinst du das?«
Thoko kreischte los, sprang auf und taumelte in begeistertem Freudentanz im Kreis. Offenbar war seine Übersetzung richtig. Marcus hielt ihn fest und zwang ihn, ihm in die Augen zu sehen.
»Thoko, wie sah die Frau aus?«
Thoko sah sich um, hüpfte dann zu einem vertrockneten Gras büschel, packte ihn mit seinen verstümmelten Händen und rupfte ihn ab. Kichernd drapierte er das blassgelbe Gras über seine kahle Stirn. »Haa«, rief er. »Haa.« Seine schwarzen Reptilienaugen funkelten aufgeregt. »Haa«, stieß er noch einmal hervor, warf das Gras weg und deutete mit seinen Fingerstummeln auf seine Augen. Schließlich hob er sein Gesicht und seine Hände zum Himmel und nickte strahlend.
Marcus beobachtete ihn konzentriert. Meinte der kleine Mann, dass es eine Frau mit gelbem Haar und blauen Augen war? Um sich zu vergewissern, zeigte er erst auf seine eigenen Augen, schüttelte dabei heftig den Kopf und stach mit dem Zeigefinger in Richtung Himmel, der tiefblau über ihnen strahlte.
Thoko tanzte
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