Nachtsafari (German Edition)
Moment dem plötzlichen Impuls, ihre Hand tröstend auf seinen Arm zu legen, wie sie es bei Marcus getan hätte.
Geschickt umfuhr der Zulu riesige Schlaglöcher voller Wasser, pflügte mit dem Wagen durch eine Mondlandschaft aus abgeholzten Bäumen, dann wieder rumpelten sie durch verfilztes Gestrüpp, bis eine Lichtung rostrot durch die Zweige schimmerte, auf der von Schlingpflanzen überwucherte Obstbäume standen.
Hellfire parkte unter einem dicht belaubten Baum, an dem zu Silkes Erstaunen flaschenkürbisgroße Avocados hingen. Sie stieg aus und versank bis zu den Knöcheln in einer der rötlich schimmernden Pfützen, die den Boden durchzogen. Prompt sickerte das Wasser durch die Schnürung ihrer Buschstiefel. Sie nahm es nicht einmal wahr. Die Angst um Marcus beherrschte sie mittlerweile vollkommen, machte sie gefühllos für alles andere.
»Ich sehe nichts«, flüsterte sie Hellfire zu. »Bist du sicher, dass Mandla sich hier aufhält?«
Als Antwort zeigte er wortlos einen kaum schulterbreiten Trampelpfad entlang und lief ihr voran. Hastig folgte sie ihm, Meatball, Prince und Samuel taten es ihr nach. Der Boden war aufgeweicht, die Hitze unerträglich, die Luftfeuchtigkeit so hoch wie in einem Dampfbad. Silke lief der Schweiß in die Augen, aber auch das registrierte sie kaum. Niemand sprach. Nur das schmatzende Geräusch ihrer Schritte begleitete sie.
Der Weg vor ihnen beschrieb eine scharfe Kurve, und als sie diese umrundeten, schlug ihnen Benzingeruch entgegen. Schwach, aber Hellfire blieb abrupt stehen, hielt Silke am Arm zurück, stoppte gleichzeitig mit einer Handbewegung seine Freunde. »Vorsicht«, flüsterte er und zeigte nach vorn.
Etwa vierzig Meter vor ihnen öffnete sich der Weg zu einer Lichtung. Der freie Blick war ihnen allerdings durch einen Abfallhaufen und struppiges Gebüsch verwehrt. Der Benzingeruch verstärkte sich, und alles, was Silke denken konnte, war, dass Mandla ein Feuer machen würde, um Marcus …
Sie schnappte nach Luft. Ein weißes Rauschen blockierte ihre Ohren, Lichtpunkte tanzten ihr vor den Augen. Sie hielt es nicht mehr aus, riss sich los und rannte zur Lichtung
Silke entdeckte zwei ineinander verknäulte Gestalten. Einer war ein Zulu in einer verdreckten Tarnuniform, und sie war sich sicher, dass es Mandla war. Sein Widersacher war ein Weißer mit dunkelbraunem Haar. Er war sehr groß, mit breiten Schultern, und strahlte geballte Kraft aus. Aber er war völlig verdreckt und nicht zu erkennen. Es konnte nicht Marcus sein. So groß war er nicht, seine Schultern waren ihr nie auffällig breit vorgekommen, und diese rohe Kraft, mit der der Mann den Ranger im Schwitzkasten hielt, konnte nicht ihrem Marcus gehören.
Der Mann stieß ein Knurren aus, dann einen lauten Fluch. Auf bairisch? Ihr blieb fast das Herz stehen.
»Marcus?«, rief sie unsicher.
Hellfire packte ihre Schulter und hielt sie fest. »Leise«, flüsterte er und deutete nach rechts.
Erst dann fiel ihr Blick auf Wiseman. Er hampelte kichernd umher, schüttete dabei eine Flüssigkeit aus einem Benzinkanister über den Boden, den Scheiterhaufen, die Büsche, spritzte sie in Richtung der beiden Männer. Benzingestank zog ihr in die Nase. In der linken Hand hielt Wiseman einen eierförmigen Gegenstand, den sie auf die Entfernung nicht identifizieren konnte.
»Was … was hat der da in der Hand?«
»Sieht aus wie eine Handgranate«, war Hellfires knappe Antwort.
»O Gott«, wisperte sie.
»Er ist verrückt«, flüsterte der Zulu ihr ins Ohr. »Wenn er sich erschrickt …«
Ihr Blick flog zu Marcus und Mandla. Der Benzinfluss schlängelte sich unaufhörlich näher an die kämpfenden Männer heran, hatte sie jedoch noch nicht erreicht. Ohne Feuer war das Benzin harmlos. Vielleicht war das die letzte Chance.
»Marcus!«, schrie sie auf und riss sich von Hellfire los.
Am äußeren Rand ihres Blickfelds nahm sie wahr, dass Wiseman eine blitzschnelle Pirouette drehte.
»Marcus!«, schrie Silke noch einmal.
Diesmal hatte er sie offenbar gehört. Sein Kopf flog herum. »Silky, hau ab! Renn weg!«
Für einen kostbaren Augenblick starrte Wiseman verwirrt auf Silke, dann auf den Benzinkanister in seiner einen und die Granate in der anderen Hand, als könne er sich nicht entscheiden, wie er es bewerkstelligen sollte, sie scharf zu machen. Schließlich ließ er den Kanister fallen. Benzin schwappte über seine brandneuen Laufschuhe, aber er kümmerte sich nicht darum. Mit beiden Händen packte er die
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