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Nachtsafari (German Edition)

Nachtsafari (German Edition)

Titel: Nachtsafari (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefanie Gercke
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Wunden seitlich am kleinen Finger sowie die auf der Handfläche. Im selben Augenblick entdeckte er die Schwarze Mamba, die unbeholfen vom Termitenhügel herunterrutschte.
    Da wusste er, dass er kaum mehr als zwanzig Minuten zu leben hatte, sollte er die volle Dosis Gift abbekommen haben. Und wie der Weg bis zu seinem Ende sein würde. Das Gift der Mamba ist neurotoxisch; es lähmt nach und nach die Nervenfunktion, die Muskeln versagen, am Ende auch die des Zwerchfells und die, die dem Herzmuskel die Impulse geben.
    Er hatte einen schwarzen Farmarbeiter nach einem Mamba biss sterben sehen und war sich klar, was ihn erwartete. Erst würde er das Gefühl haben, dass Millionen von Ameisen unter seiner Haut kribbelten, Unmengen von Speichel würden sich in seinem Mund sammeln, und er würde extreme Schweißausbrüche erleiden. Dann würde er schläfrig werden und sich betrunken fühlen. Der Verlust über die Kontrolle aller Körperfunktionen war das Nächste, starke Brustschmerzen würden einsetzen und Urin so wie Kot abgehen. Immer häufiger würde er in eine flache Bewusstlosigkeit absinken und wieder auftauchen, gleichzeitig würde zunehmend Atemlähmung einsetzen und schließlich sein Herz versagen.
    Flüchtig dachte er daran, über sein Mobiltelefon Hilfe zu holen. Aber die würde nicht annähernd rechtzeitig hier sein können. Ein Hubschrauber konnte hier nicht landen, nicht in der immer dichter werdenden Dunkelheit, nicht im Busch, und ehe Hilfe ihn zu Fuß erreichen könnte, wäre es mit Sicherheit zu spät. Wenn sein Handy überhaupt Empfang hatte.
    Seine Hand zitterte, als er es hervorzog. Er unterdrückte die Befürchtung, dies könnte bereits die erste Wirkung des Gifts sein, und prüfte das Empfangssignal. Ein einziger Balken, der immer wieder verschwand und schließlich ganz wegblieb. Von den zwanzig Minuten, die ihm theoretisch blieben, war fast eine vergangen. Abgesehen davon war er von seinem Arzt gewarnt worden, dass er nach mehreren Schlangenbissen und ebenso häufigen Gegengift-Injektionen gegen die Inhaltsstoffe allergisch geworden war. Das nächste Mal würde ihn entweder das Gift oder d as Gegengift umbringen, hatte man ihm mitgeteilt. Nur erfahrene Ärzte in einem gut ausgerüsteten Krankenhaus würden das abfangen können. Ein solches Krankenhaus war von seinem jetzigen Standort über achtzig Kilometer entfernt. Viel zu weit. Ebenso gut hätte es auf dem Mond liegen können.
    Blitzschnell traf er eine Entscheidung. Während er die Hand herunterhängen ließ, um zu verhindern, dass das Gift sich zu rasch ausbreitete, zog er mit der anderen eine der zwei breiten Kreppbandagen hervor, die er immer bei sich trug. Er wickelte sie um den herunterhängenden Oberarm bis über das Ellbogen gelenk und verknotete sie fest. Nach einem sekundenlangen Zögern, in dem er seine aufsteigende Panik bezwang und sich dabei die Lippen blutig biss, zerrte er sein Beil aus dem Gürtel und schickte ein Dankgebet zum Himmel, dass er es stets rasiermesserscharf hielt. Er legte seinen Arm auf einen Baumstumpf und ertastete mit den Fingerspitzen den Zwischenraum zwischen Handwurzel und dem Armknochen. Dann presste er die Zähne zusammen, dass es knirschte, setzte das Beil probeweise unterhalb der Handwurzel an, holte aus und durchtrennte sein Handgelenk.
    Seine Schreie hallten durch den Busch. Vögel gaben schrille Warnrufe von sich, Affen kreischten vor Schreck auf und stoben durch die Baumwipfel davon. Immer noch brüllend, stopfte er das abgeschnittene Glied in die Hosentasche, um es nicht als Häppchen für die Hyänen zurückzulassen. Aus dem Stumpf stürzte das Blut, aber in der Hoffnung, dass ein Teil des Gifts so herausgespült wurde, unternahm er für kostbare zehn Sekunden keinen Versuch, es zu stoppen. Erst dann umwickelte er den Stumpf mit der zweiten Bandage, die sich sofort tiefrot färbte.
    Gleich darauf musste er sich krampfhaft übergeben und war binnen Sekunden schweißüberströmt. Gleichzeitig schienen Heerscharen von Ameisen über seine Haut zu kribbeln, und mit einem für ihn ungewöhnlichen Anflug von Panik stellte er im selben Moment fest, dass er kaum noch seine Füße voreinander setzen konnte und ernsthafte Atembeschwerden einsetzten. Wie betrunken schwankte er durch den Busch, und nur der Gedanke an Kirsty hielt ihn noch aufrecht.

8
    I nzwischen war Marcus betrunken. Mit der Weinflasche in der Hand stand er schwankend vom Tisch auf, torkelte ein paar Schritte, bekam jedoch die Tischkante zu

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