Nachtsafari (German Edition)
fassen und hielt sich fest. Langsam drehte er die Flasche auf den Kopf und sah offensichtlich fasziniert zu, wie der letzte Tropfen Merlot an seinem Glas vorbei auf die Tischplatte fiel.
»Leer«, lallte er. »Komplett leer. Man bringe mir die nächste.« Er lachte zu laut und stieß auf. »Ups«, sagte er, schlug die Hand vor den Mund und fiel wieder auf seinen Stuhl. »He, du da – beweg dich!«, rief er und zielte mit dem Zeigefinger auf den schwarzen Weinkellner.
»Marcus, hör auf! Du benimmst dich unmöglich, außerdem schielst du schon«, zischte Silke in sein Ohr. »Erstens steht dir das nicht, und zweitens heißt das, dass du bis zum Rand voll bist.«
»Ach … Unsinn … mein … Schnuckelchen … ich hab doch …« Er versank kurz in grüblerisches Schweigen. »Kann gar nicht schielen«, verkündete er und lächelte dümmlich. »Aber ich kann auf zwei Fingern pfeifen … so.« Er steckte Zeige- und Mittelfinger in den Mund, spannte seine Lippen und pustete. Ein Speichelregen ergoss sich auf den Tisch.
»Herrgott, Marcus!«, fauchte sie. Ihre Stimme war rau, wie immer, wenn ihr Temperament sich dem Siedepunkt näherte. Sie griff nach der Weinflasche, aber Marcus erwischte sie vor ihr und wich mit einem kleinen Schlenker aus.
Die Flasche am Hals gepackt, stand er erneut auf, breitete seine Arme weit aus. »Da … da … da …«, sang er und vollführte ein paar kompliziert wirkende Tanzschritte. Als er dabei erstaunlicher weise nicht das Gleichgewicht verlor, grinste er Silke triumphierend an. »Siehst du! Bin nicht betrunken, überhaupt nicht!« Unbeholfen streichelte er ihr übers Gesicht. »Meine süße … Silke … immer auf mein … Wohlergehen bedacht …« Er wedelte unvorsichtig mit der Flasche, sie rutschte ihm aus der Hand und zersplitterte auf dem Holzboden.
»Peng«, sagte er und setzte sich wieder.
»Reiß dich jetzt endlich zusammen«, fuhr sie ihn unterdrückt an. Mit einem Anflug von Verlegenheit blickte sie zu dem älteren Paar am Nachbartisch, das, wie sie mitbekommen hatte, ebenfalls Deutsch sprach, und sich peinlich berührt umgedreht hatte. »Tut mir leid, sonst ist er nicht so … Die Hitze, wissen Sie.«
Der Mann nickte verständnisvoll, die Frau zog eine Grimasse und schüttelte ihren grauen Pferdeschwanz. Silke versuchte, mit den Fußspitzen die Splitter unauffällig zu einem Häufchen zusammenzufegen und die Scherben mit einer Serviette aufzuheben. Der Ranger, der sie am Buffet angesprochen hatte, ging eben an ihrem Tisch vorbei und bemerkte das Malheur.
»Lassen Sie nur, das ist kein Problem, das haben wir gleich«, meinte er zu Silke. »Ich hole jemanden, der das auffegt. Sabisi!«, rief er und hob eine Hand.
Eine ältere Kellnerin schaute herüber, und er zeigte auf die Scherben. Die Frau kam kurz darauf mit Handfeger sowie Schau fel an den Tisch und fegte die Splitter ächzend zusammen. Sie war sehr korpulent, und das Bücken fiel ihr offensichtlich schwer.
»Sorry«, sagte Silke, gab ihr einen Zwanzig-Rand-Schein und bedachte ihren zukünftigen Mann dabei mit einem pechschwarzen Blick.
»Schon okay«, brummte die Kellnerin und schlurfte davon.
»So, alles wieder in bester Ordnung.« Der Ranger grinste. »Machen Sie sich keine Gedanken. In dieser Hitze wirkt Alkohol viel schneller als gewöhnlich. Ich bin übrigens Rick, Ranger in diesem Paradies.«
»Silke«, sagte sie und wies auf Marcus. »Marcus. Wir werden morgen in Umfolozi sein, in einem Camp namens Mpila, und das, was ich über das Camp im Internet gelesen habe, beunruhigt mich etwas. Vielleicht können Sie uns ein paar Tipps geben?«
Statt zu antworten, musterte Rick erst sie und dann Marcus eingehend. »Kann es sein, dass wir uns schon mal getroffen haben?«, fragte er dann. »Sind Sie von hier? Waren Sie schon einmal in Hluhluwe-Umfolozi?«
Silke öffnete den Mund, aber Marcus fiel ihr überraschend scharf ins Wort. »Noch nie … Wir waren noch nie …« Er fuchtelte mit den Händen, da ihm offenbar nicht einfiel, was er sagen wollte, und fixierte den Ranger frustriert mit glasigen Augen. »In Afrika«, brachte er schließlich heraus.
»Aha, dann hab ich mich wohl geirrt. Das ist bei den vielen Gästen, die täglich hier ankommen, schon mal möglich, obwohl ich ein gutes Gedächtnis für Gesichter habe. Darf ich?«, fragte er und zeigte auf den freien Stuhl neben Silke, die nickte. Mit dem Rücken zu Marcus gewandt, sah er ihr tief in die Augen. »Silke.«
Er sprach es wie Marcus auch Silky
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