Nachtsafari (German Edition)
was machst du, wenn du dich nicht mit Raubadlern anlegst? Oder bist du nur dafür zuständig, das Geld unter die Leute zu bringen, das Marcus verdient?« Sein Grinsen war frech und herausfordernd.
Silke quittierte das mit einem schiefen Lächeln. »Selbstverständlich, mit vollen Händen. Wir haben einen ganzen Keller voller Goldstücke … wie Dagobert Duck.« Sie zog die Brauen hoch. »Du klingst, als hältst du alle Touristen für reich.«
»Sorry, war eine dumme Bemerkung. Aber es gibt viele von ihnen, die mit ihren Euros oder Dollars nur so um sich werfen. Das geht einem manchmal schon auf die Nerven.«
»Das kann ich nachvollziehen«, sagte Silke, die sich das sehr gut vorstellen konnte, wenn sie an manche ihrer Kundinnen in der Boutique dachte.
»Na, in unserem Keller herrscht gerade mal gähnende Leere, und ich arbeite halbtags in einer Boutique, wo solche Frauen einkaufen. Ansonsten bin ich freie Lektorin, wobei die Betonung auf frei liegt. Buchläden gehen ein wie Primeln ohne Wasser, sogar die großen Ketten, die Verlage zahlen immer kleinere Vorschüsse, und so wird mancher begabte Schriftsteller doch lieber Lehrer oder Automechaniker, ehe er Lebenszeit opfert, um ein Buch zu schreiben, das nie das Licht der Bücherwelt erblickt, und ich habe nichts zu tun.«
»Lektorin. Ach. Ist das aufregend?« Sein Ton verriet, dass er das nicht glaubte.
Silke dachte einen Augenblick nach, bevor sie antwortete. »Aufregend? Du meinst, bin ich atemlos vor Spannung, habe ich Herzjagen und nasse Hände, wenn ich ein neues Manuskript in die Hände bekomme?« Ein kleines Lächeln spielte um ihre Mund winkel. »Doch, ja, das passiert schon. Sehr selten, aber es passiert. Und dann ist es ein unglaubliches Gefühl. Jagdfieber nennt man das wohl.«
»Fremder Leute Bücher korrigieren … das ist aufregend?« Er schob die Sonnenbrille hoch und sah sie an.
Silkes Lächeln vertiefte sich. »In fremde Welten eintauchen, das ist aufregend.«
»Aha«, sagte er, konnte das jedoch offensichtlich nicht nachvollziehen. »Ich habe keine Zeit zu lesen.«
»Ich weiß nicht, wie man ohne Bücher leben kann«, erwiderte sie leise. »Jede Geschichte ist ein Fenster zu einem anderen Leben.« Sie stützte ihren Arm auf den Fensterrahmen, um sich hinauszulehnen. Das Metall war glühend heiß, daher zog sie ihn schleunigst zurück. »Ist es hier immer so heiß?«, wechselte sie das Thema und rieb sich den Arm. »Als wir in King Shaka Airport aus dem Flugzeug stiegen, dachte ich, ich wäre in einem türkischen Dampfbad gelandet. Ich habe kaum Luft bekommen.«
Rick angelte sich seinen Buschhut vom Rücksitz und setzte ihn auf. »Ach, das ist fast immer so um diese Zeit. Glutofenhitze und die Luft wie Wasserdampf. Macht die Haut schön weich. Du wirst praktisch keine Cremes brauchen.« Er nahm den Fuß vom Gas und ließ seine Finger ihren Oberschenkel bis unter den Saum ihrer Shorts hochwandern, aber Silke zuckte zurück und stieß die Hand weg.
»Nicht«, flüsterte sie rau, traute ihren eigenen Gefühlen nicht, war restlos verunsichert, weil sie sich selbst nicht mehr verstand. Ein derartiges inneres Chaos hatte sie seit ihrer Teenagerzeit nicht mehr erlebt. »Ich … ich könnte einen Kaffee gebrauchen«, stotterte sie, um ihn abzulenken.
Ein funkelnder Seitenblick, ein anzügliches Grinsen. »Das trifft sich gut. Ich habe im Haus eine brandneue Kaffeemaschine, die nur darauf wartet, ausprobiert zu werden«, raunte er und brachte es tatsächlich fertig, diesen prosaischen Vorschlag wie ein unanständiges Angebot klingen zu lassen. Ihre Blicke verhakten sich. Die Luft schien zu vibrieren.
Unversehens spürte sie, wie ihr die Sinne erneut verschwammen, sie dabei war, sich wieder fallen zu lassen, und dass sie dem nichts entgegenzusetzen hatte.
Verzweifelt beschwor sie Marcus’ kantiges Gesicht herauf, die zärtlichen Hände. Seine Wärme, in die sie sich flüchten konnte. Tränen schossen ihr in die Augen, und die Sehnsucht nach ihm nahm ihr den Atem. Sie schämte sich, dass sie je an ihm gezweifelt hatte, schämte sich, je die Befürchtung gehabt zu haben, er könnte ein anderer sein. Schämte sich in Grund und Boden für das, was fast zwischen ihr und Rick geschehen war.
Nach ein paar Sekunden hatte sie so viel Selbstbeherrschung zurückgewonnen, dass sie den Ranger von sich schob. »Und dann muss ich zurück zum Chalet«, sagte sie schnell, wie um sich selbst zu überrumpeln. »Wir ziehen heute nach Mpila um. Marcus wird schon
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