Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Nachtschicht

Nachtschicht

Titel: Nachtschicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
Vom Netzwerk:
verzichten, aber in Wirklichkeit -
    »Elizabeth Rogan«, plärrte es aus dem Lautsprecher, »gehen Sie bitte an das weiße Telefon.«
    Sie rannte hin. Dann hörte sie Eds Stimme. »Beth?«
    »Ed. Wie schön, daß du anrufst. Ich hatte schon gedacht …«
    »Daß ich zum Flugplatz kommen würde?« Er lachte. »Ich fand, das sei nicht nötig. Du bist ein erwachsenes, selbständiges Mädchen. Und hübsch obendrein. Du kommst auch ohne mich zurecht. Sehen wir uns in der Uni?«
    »Ich … ich glaube schon.«
    »Das ist schön.« Er schwieg eine Weile. »Weil ich dich liebe. Ich liebe dich, seit ich dich zum ersten Mal sah.«
    Ihre Zunge war wie gelähmt. Sie konnte nicht sprechen.
    Tausend Gedanken jagten ihr durch den Kopf.
    Er lachte noch einmal, leise. »Du brauchst nichts zu sagen. Jetzt nicht. Wir sehen uns später. Dann unterhalten wir uns. In aller Ruhe. Ich wünsche dir einen guten Flug, Beth. Auf Wiedersehen.«
    Dann war er weg. Sie stand da, den weißen Telefonhörer in der Hand, alleingelassen mit ihren chaotischen Gedanken und Fragen.
    September.
    Wie eine Frau, die man nur beim Stricken gestört hat, nahm Elizabeth die alte Routine des Universitätsbetriebs wieder auf.
    Natürlich teilte sie sich auch jetzt wieder mit Alice ein Zimmer; sie wohnten zusammen, seit der Computer der Zimmervermitt-lung sie zu Beginn ihres Studiums zusammenbrachte. Trotz unterschiedlicher Interessen und Eigenschaften waren sie immer gut miteinander ausgekommen. Alice war fleißig, studierte Chemie und hatte einen Durchschnitt von 3,6. Elizabeth war die geselligere von beiden, weniger intellektuell, und sie hatte die Fächer Pädagogik und Mathematik belegt.
    Sie vertrugen sich immer noch gut, doch seit dem letzten Sommer war die Freundschaft zwischen ihnen etwas abgekühlt. Elizabeth führte es auf die Meinungsverschiedenheit wegen der Soziologieklausur zurück, sagte jedoch nichts.
    Die Ereignisse des Sommers begannen traumhafte, unwirkliche Züge anzunehmen. Seltsamerweise kam es ihr manchmal so vor, als sei Tony ein Junge gewesen, den sie noch von der Schule her kannte. Die Erinnerung an ihn schmerzte sie immer noch, und sie vermied es, mit Alice über ihn zu sprechen. Doch es war so, als ob eine alte Narbe weh täte und nicht der stechende Schmerz einer frischen Wunde.
    Noch schmerzlicher traf es sie, daß Ed Hamner sich nicht meldete.
    Eine Woche verging, noch eine, und dann war es Oktober. Sie besorgte sich ein Verzeichnis aller Studenten und schlug seinen Namen nach. Es half ihr auch nicht weiter; hinter seinem Namen stand lediglich »Mill St.« Die Mill Street war sehr lang.
    Also wartete sie, und wenn sich jemand mit ihr verabreden wollte, was häufig geschah, lehnte sie ab. Alice betrachtete sie mit hochgezogenen Augenbrauen, äußerte sich jedoch nicht; sie steckte mitten in einem sechswöchigen Biochemie-Praktikum und brachte die meisten Abende in der Bibliothek zu.
    Elizabeth sah zwar die langen weißen Briefumschläge, die ihre Zimmergenossin ein-oder zweimal die Woche durch die Post zugestellt bekam - da sie von den Vorlesungen meistens früher heimkehrte - machte sich jedoch keine Gedanken darüber. Die Privatdetektei verhielt sich diskret; auf den Umschlägen stand kein Absender.
    Alice war in einem Lehrbuch vertieft, als die Sprechanlage summte. »Geh du dran, Liz. Das ist wahrscheinlich sowieso für dich.«
    Elizabeth trat an das Gerät. »Ja, bitte?«
    »Besuch für dich, Liz. Ein junger Mann.«
    Oh Gott.
    »Wie heißt er?« fragte sie ungehalten und ging im Geist schon ihren Vorrat an abgenutzten Ausreden durch, Migräne.
    Das hatte sie in dieser Woche noch nicht vorgeschützt.
    Das Mädchen an der Anmeldung antwortete amüsiert:
    »Edward Jackson Hamner junior, man stelle sich vor.« Mit gesenkter Stimme setzte sie hinzu: »Er trägt zwei verschiedene Socken.«
    Elizabeth faßte sich an den Kragen des Morgenrocks. »Ach Gott! Sag ihm, ich käme sofort runter. Nein, sag ihm, ich käme in einer Minute. Nein, sag ihm, es wird ein paar Minuten dauern.«
    »Klar«, erwiderte die Stimme skeptisch. »Paß auf, daß du keinen Schlaganfall kriegst.«
    Elizabeth zog eine lange Hose aus ihrem Kleiderschrank.
    Einen kurzen Jeansrock. Aufstöhnend befingerte sie ihre Lockenwickler, begann, sie sich aus den Haaren zu reißen.
    Stumm beobachtete Alice sie, und nachdem Elizabeth gegangen war, blickte Alice noch lange nachdenklich auf die Tür.
    Ed sah aus wie immer; er hatte sich überhaupt nicht verändert.
    Er trug

Weitere Kostenlose Bücher