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Nachtschicht

Nachtschicht

Titel: Nachtschicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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fernsahen oder lernten. Er war genau richtig für sie, nicht zu hart und nicht zu weich .
    Optimal. Wie alles, was mit Ed zusammenhing.
    Das Wohnzimmer hatte zwei Türen. Durch die eine ging man in die Kochnische, die andere führte in sein Schlafzimmer.
    Draußen pfiff der Wind, in den Mauern des alten Wohnhauses knarrte und knackte es.
    Sie betrat das Schlafzimmer und betrachtete die Bettstelle aus Messing. Das Bett sah nicht zu hart und nicht zu weich aus, es schien genau richtig zu sein. Eine hämische Stimme in ihr spottete: Es ist schon beinahe zu vollkommen, nicht wahr?
    Sie stellte sich vor das Bücherregal und ließ den Blick planlos über die Buchtitel wandern. Einer zog ihre Aufmerksamkeit auf sich, und sie holte das Buch heraus: Modetänze der fünfziger Jahre. An einer bestimmten Stelle klappte das Buch von selbst auf. Ein Abschnitt, der die Überschrift »Der Stroll« trug, war dick mit Rotstift umrandet, und daneben stand der Name BETH in großen, beinahe anklagenden Lettern.
    Jetzt müßte ich gehen, sagte sie sich. Etwas kann ich immer noch retten. Wenn er in diesem Moment zurückkäme, könnte ich ihm nie wieder ins Gesicht sehen, und Alice hätte gesiegt.
    Dann hätte sie ihr Geld wirklich gut angelegt.
    Doch sie wußte, daß sie nicht mehr zurückkonnte. Dazu war sie schon zu weit gegangen.
    Sie trat an den Kleiderschrank und drehte den Knauf, doch die Tür blieb zu. Abgeschlossen.
    Auf gut Glück stellte sie sich wieder auf die Zehenspitzen und tastete den oberen Türrand ab. Ihre Finger stießen gegen den Schlüssel. Sie holte ihn herunter, obwohl eine innere Stimme sie deutlich warnte: Das darfst du nicht tun. Sie dachte daran, was Blaubarts Frau fand, als sie die verkehrte Tür öffnete. Doch zum Rückzug war es zu spät; wenn sie sich jetzt keine Gewißheit verschaffte, würde sie ständig weitergrübeln.
    Sie schloß den Schrank auf.
    Und dann verspürte sie das ungute Gefühl, als ob sich da drinnen der richtige Ed Hamner jr. die ganze Zeit über versteckt hatte.
    Im Schrank herrschte das Chaos - sie sah achtlos hineingestopfte Kleidungsstücke, Bücher, einen Tennisschläger ohne Bespannung, ein Paar zerfledderte Tennisschuhe, ein wildes Durcheinander von alten Lehrbüchern und Heften, einen offenen, krümelstreuenden Tabaksbeutel. In der hintersten Ecke lag die grüne Drillichjacke.
    Sie nahm eines der Bücher in die Hand und las verdutzt den Titel. Der goldene Zweig. Sie bückte sich nach dem nächsten. Alte Riten, moderne Mysterien. Ein anderes hieß Voodoo - Zauberkult auf Haiti. Dann fand sie eins, das in altes brüchiges Leder gebunden war. Durch häufigen Gebrauch war der Titel auf dem Einband abgescheuert und kaum noch leserlich. Es roch schwach nach verfaultem Fisch. Sie entzifferte den Titel: Nekromantie. An einer beliebigen Stelle schlug sie es auf, schnappte nach Luft und schleuderte es fort: die obszöne Darstellung brannte sich in ihr Gedächtnis ein.
    In erster Linie, um ihre Fassung wiederzugewinnen, griff sie nach der grünen Drillichjacke, wobei sie sich selbst nicht eingestand, daß sie die Taschen durchsuchen wollte. Als sie sie jn die Hand nahm, entdeckte sie noch etwas. Eine kleine Blechdose …
    Neugierig bückte sie sich danach und drehte sie hin und her.
    Drinnen klapperte etwas. Es war eine Dose, wie kleine Jungen sie zum Aufbewahren ihrer Schätze benutzen. In den Blechboden war der Name einer Firma eingestanzt: Bridgeport Sweets.
    Sie öffnete die Dose.
    Ganz oben lag die Puppe. Die Puppe Elizabeth.
    Ihr schauderte, als sie sie betrachtete.
    Als Kleid trug die Puppe einen roten Nylonfetzen, er stammte von einem Tuch, das sie vor zwei oder drei Monaten verloren hatte. Als sie mit Ed im Kino war. Die Arme bestanden aus Pfeifenreinigern, um die etwas gewickelt war, das aussah wie blaues Moos. Friedhofsmoos vielleicht. Die Puppe hatte Haare auf dem Kopf, aber die entsprachen nicht ihren. Es war sehr feines, flachsblondes Haar, und es war an den rosa Radiergummikopf angeklebt. Ihr eigenes Haar war dunkelblond und kräftiger. Das der Puppe ähnelte eher dem, das sie hatte - Als sie ein kleines Mädchen war. 
    Sie schluckte, und in ihrer Kehle gab es ein knackendes Geräusch. Hatten sie nicht alle im ersten Schuljahr Scheren bekommen, kleine, abgerundete Scheren, für Kinderhände geeignet? War damals ein kleiner Junge an sie herangepirscht, vielleicht, als sie ihren Mittagsschlaf hielten und Elizabeth legte die Puppe aus der Hand und schaute wieder in die Blechdose.

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