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Nachtseelen

Titel: Nachtseelen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Krouk Olga
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unmöglich, nicht zu ihm zurückzukehren.
    Adrián strich ihr über die Wange, ganz der Großonkel, der seine Großnichte zu trösten versucht. Bedauern lag in seiner Stimme: »Du liebst ihn.«
    Â»Nein, nein. Versteh mich nicht falsch, es ist nur …«
    Â»Du liebst ihn.« Noch bevor sie protestieren konnte, stieg er aus dem Auto und ging zum Blumengeschäft.
    Â»Nein!«, rief sie ihm hinterher, doch er drehte sich nicht einmal um. So flüsterte sie zu sich selbst: »Das ist
doch verrückt. Wie kann ich jemanden lieben, den ich kaum kenne? Der vielleicht nichts von mir wissen will?«
    Darauf bekam sie keine Antwort. Alba folgte nicht ihrem Großonkel in den Laden, sondern lief die Treppe hoch in die Wohnung.
    Wohin eilst du? Wovor fliehst du? Sie wusste es nicht, nahm zwei Stufen auf einmal, auch wenn die dadurch gewonnenen Sekunden kaum etwas ausmachten, öffnete die Tür und stürzte in die Wohnung.
    Die Couch im Wohnzimmer war leer. Ihr Herz erstarrte in ihrer Brust. Wo war Finn? Verflucht, wenn ihm etwas zugestoßen war, während sie weg war, würde sie es sich niemals verzeihen. Benommen starrte sie vor sich hin, bis Geräusche aus dem Bad sie aus ihrer Trance rissen. Sie stürmte hinein, ohne zu überlegen, geschweige denn anzuklopfen.
    Finn hatte sich über die alte Emaille-Badewanne gebeugt und wusch sich das Haar. Sein Oberkörper war nackt. Die Haut spannte, jeder Wirbel seines Rückgrats zeichnete sich ab.
    Doch nicht seine Nacktheit war es, die Alba dazu veranlasste, aufzuschreien und die Hand vor den Mund zu schlagen. Sein ganzer Körper war zerfurcht, als hätte jemand das Fleisch aus ihm herausgehackt.
    Finn zuckte hoch und stieß mit dem Hinterkopf gegen den Wasserhahn. Er stöhnte, presste die Hand gegen die Beule und drehte sich um. Zuerst schaute er Alba irritiert an, dann schien er ihren entsetzten Blick gedeutet zu haben.

    Â»Ja, ist kein schöner Anblick«, murmelte er, schnappte sich sein T-Shirt und streifte es eilig über.
    Der Stoff verdeckte die Narben, doch Alba sah sie immer noch vor sich. Dann verschwammen die Fliesen des Bades ineinander, etwas anderes schob sich in ihr Blickfeld: Das Bild des angeketteten Jungen und der Greifvogel, der sich auf sein Opfer stürzte und von ihm zehrte.
    Alba taumelte zurück, stolperte über die Schwelle und fiel fast in den Flur, konnte sich jedoch noch gerade so an dem Rahmen festhalten. Sie sah den Jungen vor sich. Sein Gesicht, das zwölf Jahre älter geworden war, ernster und vom Leben gezeichnet und doch unverkennbar.
    Â»Oh mein Gott«, schluchzte sie. Sie wollte so viel sagen! Doch alles verschmolz in ihrer Kehle zu einem riesigen Kloß, und das Einzige, was sie von sich geben konnte, war dieses dämliche »Oh mein Gott«.
    Â»Sieht schlimmer aus, als es ist«, brummte Finn und zwängte sich an ihr vorbei.
    Er verstand es nicht! Aber wie konnte sie es ihm erklären, wenn etwas ihren Hals wie mit einem Strick würgte und sie zu nichts in der Lage war, außer an ihren Tränen zu schlucken.
    Schau mich an! Erinnerst du dich nicht an mich?
    Er vermied es, sie anzusehen, und eilte ins Wohnzimmer, um ihrem Blick zu entkommen. Sie stürzte ihm hinterher.
    Â»Strolch!«

    Wie ist das möglich? , hämmerte es in ihrem Kopf. Dass du und ich … Dass wir uns treffen?
    Er blieb stehen, sah sie an, verstand aber immer noch nichts. »So hat mich seit der Schulzeit keiner mehr genannt.«

Kapitel 22
    L innea brach in die Knie und verkroch sich in eine Ecke der Küche, direkt neben dem Geschirrspüler, der brummte und blubberte und dessen Vibrationen ihr ganzes Wesen erschütterten. Smaragda wand sich wenige Schritte von ihr entfernt auf dem Boden. Das Tier spürte den physischen Schmerz nicht, dafür aber die Qualen, die die Seele seines Frauchens zerrissen. Die Qualen der unerfüllten Lust, des Verlangens nach Küssen und Berührungen, die kurz Erleichterung brachten, um sie dann noch süchtiger zu machen.
    Â»Oya«, wimmerte Linnea, ohne es in sich halten zu können, und biss sich die verräterischen Lippen blutig. Conrad! , hätte sie schreien wollen, denn der Klang seines Namens vertrieb die Dämonen, sein Gesicht, das sie in ihrem Gedächtnis hervorrief, spendete ihr Trost. Doch nicht heute, nicht unter dem Bann der Göttin.
    Sie kippte auf die Seite und kreuzte die Beine, um nicht in

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