Nachtseelen
Begeisterung fest, dass es sie glücklich machte, Ylva wohlauf zu wissen. Und da â da spürte sie auch den Dämon, der sich zu regen und seine unsichtbaren Tentakel nach ihr auszustrecken begann. Unruhe erfasste sie, doch sie blieb still.
Das Mädchen fuhr sich mit einer Hand über die Stirn. »Es ist alles so durcheinander hier drin. So viele Gesichter,
Orte, die ich kennen müsste und dennoch nicht zuordnen kann. Ich weià nicht einmal, wie ich heiÃe.«
Linnea erhob sich. Noch musste sie sich an der Kommode festhalten, aber wenigstens trugen die Beine sie. »Ylva. Dein Name ist Ylva. Ein sehr schöner Name, wie ich finde.«
Die Kleine überlegte kurz, dann nickte sie. »Gut. Ich hatte schon Schlimmeres befürchtet. Sind wir verwandt?« Der Dämon war immer noch da, doch er lieà Linnea in Ruhe. Wie Oya es gesagt hatte.
»Ich bin so etwas wie deine Mutter.« Kraft kehrte in ihre Glieder zurück. Wie gern wäre sie jetzt bei Ylva geblieben, um sie zu unterstützen und sie in die ihr noch so fremde Welt einzuführen. Sich mit ihr zu freuen, im Alten das Neue zu entdecken. Aber sie hatte keine Zeit. Mit jeder Sekunde erhöhte sich das Risiko, dass ihre gut vorbereitete Falle entdeckt werden würde. »Hör zu. Ich muss noch etwas erledigen, aber wenn ich zurück bin, werde ich dir alles erklären, okay? In dieser Zeit ⦠versuch dich zu waschen. Schaffst du das?« Sie öffnete eine Tür zu ihrer Rechten. »Hier ist das Bad. Im Schlafzimmer findest du ein paar Sachen, die ich für dich gekauft habe, ich hoffe, sie passen dir. Solltest du nicht klarkommen â mach dir nichts draus. Wenn ich wieder zurück bin, helfe ich dir. In Ordnung?«
Die junge Frau schaute an sich herunter. »Ich schätze, das Waschen habe ich bitter nötig.«
Allein diese frech-ironische Antwort erfüllte Linnea mit Entzücken und fast mütterlichem Stolz. Wie sehr
hatte sich dieses arme Geschöpf verwandelt! Aus einem hässlichen Entlein in einen prächtigen Schwan. Nun ja. Zumindest fast. Denn Schwäne stanken nicht so erbärmlich, wie es die Kleine tat.
»Gut.« Ob das Mädchen sich ihr auch unterwerfen würde, so wie jeder Metamorph ihrer Gemeinde? Oder hatte Oya zu viel versprochen? Linnea konzentrierte sich auf jenes Gefühl, das die Produktion des Königinnen-Duftes steuerte, trat auf Ylva zu und umarmte sie. Würde das Mädchen gleich wieder zubeiÃen? Sie hielt inne, redete, um ihre Unsicherheit zu überspielen: »Mach dir keine Sorgen. Ich lasse Smaragda bei dir. Sie passt auf dich auf. Und ich schicke dir jemanden vorbei, der auf dich achtgibt, solange ich nicht da bin.«
In tiefen, regelmäÃigen Zügen atmete Ylva den Geruch ein. Ihr Körper entspannte sich. Es wirkte, sie erwiderte die Umarmung sogar! Linneas Herz schlug etwas schneller.
Du bist eine von uns. Jetzt gehörst du mir! Du gehörst nur mir allein, und ich werde dich nie gehen lassen. Dich nicht.
Gleichzeitig spürte sie erneut Dunkles, das sich in der Seele des Mädchens regte, um von dieser Welt zu trinken. Der Dämon.
»Wer ist Smaragda?«, fragte Ylva etwas naiv, und Linnea badete in dem Zutrauen, das darin mitschwang. Nein, sie sollte nicht ihre Gedanken an den Dämon verschwenden. Alles, was zählte, war Ylva in ihren Armen. Eine verlorene Seele, die zurückgekehrt war.
»Meine Schlange.« Sie gab sich einen Ruck und lieà die
junge Frau los. »Nein, nein, stell jetzt keine Fragen. Dazu werden wir später genug Zeit haben. Vertraue mir.«
Ylva nickte unsicher.
»Gut.« Linnea zog ihren Mantel an. Sie stand bereits in der Tür, als Ylva doch noch eine Frage stellte: »Wer ist Finn?«
Linnea verharrte mitten in der Bewegung. Ihr Blick schoss zu dem Mädchen. »Wie kommst du jetzt darauf?«
Die Kleine zuckte mit den Schultern und wickelte sich eine Strähne um den Finger. Fast verlegen, könnte man meinen. »Ich weià nicht so recht. Er ist der Einzige, bei dem ich dem Namen ein Gesicht zuordnen kann. Was ich nicht zuordnen kann, sind die Gefühle, die in mir hochkommen, wenn ich an ihn denke. Es ist so frustrierend!«
Linnea atmete durch, obwohl ihre Unruhe sich nicht gänzlich gelegt hatte. Würde Ylva sich an alles erinnern? An Finn, an die Verfolgung und ihre Gefangennahme? Und falls ja: wann? Zum Glück nicht heute und vielleicht auch nicht
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