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Nachtseelen

Titel: Nachtseelen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Krouk Olga
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Großvaters gehörte zur Realität, auch wenn Alba sich das Gegenteil gewünscht hätte. Die Zeitungen schrieben von einer grausamen Bluttat. Die Polizei tappte im Dunklen und bemühte sich nach Kräften, den Aufruhr in den Medien zu dämpfen. Zum Glück hielt Georg Alba die Beamten vom Leib, die sich mit ihrer schriftlichen Aussage erst einmal zufriedengegeben hatten.
    Irgendwann wurden der Tatort und der Leichnam freigegeben. Ihre Mutter wollte von alldem nichts wissen, was Alba stutzig machte.
    Â»Für mich war er schon lange tot, jetzt hat sich an diesem Zustand nichts geändert«, lautete die einzige Erklärung, die die Frau abgegeben hatte. Elmar Wagner war beschäftigt, so stand nur Georg Alba zur Seite und telefonierte für sie mit den Behörden.
    Die Trauerfeier sollte in einer Friedhofskapelle stattfinden. Am Morgen dieses Tages erinnerte Alba ihre Mutter daran, doch diese prostete ihr mit Orangensaft zu und verkündete feierlich: »Soll er zur Hölle fahren. Ich habe mein halbes Leben lang versucht, seine Aufmerksamkeit zu erringen. Ich habe sogar dich nach deiner Oma benannt. Jetzt ist mir alles egal.« Der Alkoholdunst,
den sie ausströmte, ließ auf einen Schuss Martini im Getränk schließen.
    Georg und Alba warteten allein auf die Trauergäste, aber vergebens. Keine einzige Seele war gekommen. Hatte ihr Großvater keine Freunde gehabt? Obwohl die Nachricht von seinem Tod nicht nur durch eine Anzeige bekanntgemacht worden, sondern groß durch die Medien gegangen war, erschien niemand zum letzten Abschied.
    Auch du – unerwünscht?, hätte Alba ihn gern gefragt.
    Schließlich geleitete der Priester sie in die Kapelle. Der Sarg stand auf einem Podest, geschmückt mit einem Blumenkranz. Dahinter ragte ein Pult für die Predigt auf. Die Lebensbäume in den Kübeln, die zu einer Hecke aufgestellt worden waren, verbargen die Orgel, an der jemand saß. Rosenblätter lagen auf dem Boden verstreut. Alles war, wie es sich gehörte. Eine Kulisse des Todes.
    Alba verharrte im Gang, und erst als Georg sie sachte vorwärts schob, ging sie, um sich von ihrem Großvater zu verabschieden. Sie senkte den Kopf, wie es der Brauch verlangte, aber ihre Gedanken schweiften umher und wollten sich nicht auf die Angelegenheit konzentrieren. Unter dem Blick des Priesters und Georgs Aufsicht fühlte sie sich beschämt, als verlangten alle einen Beweis der Trauer von ihr, den sie angesichts eines ihr völlig fremden Mannes nicht erbringen konnte. Sie wartete, bis genügend Zeit verstrichen war, und legte die Blumen, die sie mitgebracht hatte, zu dem Kranz auf
den Sarg. Dann setzte sie sich in die erste Reihe. Auch Georg verharrte kurz vor dem Podest, wurde seine Blumen los und begab sich zu Alba.
    Der Priester trat hinter das Pult und räusperte sich. »Wir haben uns hier versammelt …«
    Seine Worte verhallten, ohne Alba zu erreichen. Bewegte Luft, sonst nichts. Sie wünschte sich, sie könnte um ihren Großvater trauern, damit es auf seinem letzten Weg wenigstens jemanden gab, der um ihn klagte.
    Bald hallte die Orgelmusik. Beim Singen der Psalmen strengte sich nur der Priester an. Alba verlor keinen Ton, und auch Georg schien der Predigt nicht zu folgen. Seinem Gesicht nach zu urteilen, wollte er das Ganze genau wie sie so schnell wie möglich hinter sich bringen.
    Â»Hermann Herzhoff war ein guter Katholik«, fuhr der Geistliche fort, und Alba horchte auf. Ihr Großvater war ein Christ? Was hatte dann der Altar in seinem Arbeitszimmer zu bedeuten? »Er war ein stiller Mann, dessen Lebensweg nicht leicht war. Zu früh musste er erfahren, was es heißt, diejenigen zu verlieren, die man liebt. Zuerst war sein bester Freund und Schwager im Alter von 30 Jahren aus dieser Welt verschieden, kaum ein Jahr später ging seine geliebte Frau Alba von ihm. Es hat Jahrzehnte gedauert, bis Hermann Herzhoff sich davon erholt hat. Er war kein einfacher Mann, manchmal zu dominant, manchmal zu verbissen in eine Sache, aber er vertraute auf Gott und folgte Seinem Weg, egal, welche Schicksalsschläge er erleiden musste.«
    Ein Luftzug streifte Albas Rücken, als wäre eine Tür
geöffnet worden. War doch jemand zur Trauerfeier gekommen? Plötzlich beschlich sie das Gefühl, angestarrt zu werden. Der Blick schraubte sich in sie hinein und ließ ihr Inneres zu Eis gefrieren. Ein Gefühl, das sie bereits kannte

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