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Nachtseelen

Titel: Nachtseelen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Krouk Olga
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Rechten, bis sie eine Karte fand.
    Ich hoffe, es wird dir bald bessergehen. In Gedanken bei dir – Georg.
    Unerwünscht.
    Alba widerstand dem Drang, sich die Stirn zu reiben, schnippte die Karte auf den Beistelltisch und starrte an die Decke. Doch lange hielt sie es nicht aus. Sie betrachtete ihre Hand mit der Nadel, dann biss sie sich auf die Unterlippe und riss das Pflaster ab. Die Stelle lief rot an und brannte. Doch das hielt sie nicht davon ab, die Infusionsnadel herauszuziehen. Etwas Blut sammelte sich auf der Haut. Alba leckte die Tropfen ab, aber gleich sickerten weitere an die Oberfläche und rannen ihren Mittelfinger entlang. Sie achtete nicht darauf und erhob sich.
    Kein Schwindelgefühl, kein Schwächeanfall. Es ging ihr besser, als sie erwartet hatte.
    Da sie keine Hausschuhe fand, tapste sie mit nackten Sohlen über das Linoleum. Die Neonröhren fluteten den Korridor mit kaltem Licht. Hinter dem Fenster am Ende des Flurs sah sie die Dämmerung hereinbrechen. Das Krankenhaus wirkte wie ausgestorben. Sie spazierte den Gang entlang, bis sie das Schwesternzimmer erreichte. Die Tür stand halb offen. Alba wollte anklopfen,
da hörte sie eine Schwester reden, aufgeregt wie ein Kind, das am Lagerfeuer Geschichten erzählt:
    Â»â€¦ bei ihr. Jedes Mal läuft mir ein Schauer den Rücken hinunter, wenn ich in dieses Zimmer muss. Sie liegt da wie Schneewittchen, mit bleicher Haut und schwarzen Haaren, und starrt mit ihren grünen Augen vor sich hin. Manchmal habe ich das Gefühl, sie würde jede meiner Bewegungen beobachten. Gruselig, sag ich dir.«
    Â»Red keinen Quatsch, Beate«, ertönte eine andere, tiefere Stimme. »Das Mädchen liegt im Koma.«
    Â»Und keiner weiß warum! Ihr fehlt nichts, laut den Untersuchungen ist sie kerngesund. Und dennoch ist sie scheintot.«
    Redeten die Schwestern etwa von ihr? Alba spähte durch den Spalt.
    An einem Tisch saß eine pummelige Frau mit einem Mondgesicht, eine zweite sortierte am Tresen Formulare – sie musste Beate sein, denn sie redete weiter: »Ihre Mutter hat gesagt, das Mädchen spricht nicht – das müssten wir beachten, sollte sie aufwachen, aber …«
    Â»Sie ist stumm?« Die Pummelige nahm einen Keks aus einer Blechdose und tunkte ihn in eine Tasse Tee, die vor ihr stand.
    Â»Eben nicht! Marion soll gehört haben, wie sie geredet hat.«
    Â»Ach, Marion erzählt viel, wenn der Tag lang ist. Wie soll das Mädchen reden, wenn es im Koma liegt?«
    Beate schob die Formulare beiseite, stützte sich mit einer Hand am Tresen ab und beugte sich zu ihrer Kollegin
vor. »Geredet haben soll sie, mit der Stimme eines kleinen Kindes«, flüsterte sie verschwörerisch. »Sie hat geweint und nach ihrem Opa gerufen. Und dann hat sie wie am Spieß gekreischt: ›Strolch, hilf mir!‹ Und das, ohne sich zu rühren, sie hat sogar den Mund kaum bewegt. Von einer Sekunde auf die andere wurde sie danach still, als wäre nichts geschehen.«
    Wovon sprach die Schwester bloß? Alba riss an dem Ausschnitt ihres Krankenhausnachthemdes, auf einmal bekam sie nicht genug Luft. Die Dunkelheit aus den Ecken des Raumes rückte näher. Strolch, hilf mir! Fast hätte sie es tatsächlich gerufen, wäre da nicht ein anderer Gedanke gewesen, der sie durchfuhr: Du bist verrückt. Eindeutig. Deine Mutter hat Recht, du brauchst professionelle Hilfe.
    Die Pummelige winkte ab und lutschte an ihrem Keks. »Hör auf. Es ist nur …« Der Keks blieb ihr fast im Hals stecken, als sie Alba entdeckte. Beate wirbelte herum, stolperte zurück und plumpste auf einen Stuhl. Ihr Gesicht verlor an Farbe, und sie schaute, als sähe sie eine Geistererscheinung.
    Die andere Schwester fand schneller zu sich. Sie erhob sich, was trotz ihrer Figur beinahe graziös wirkte, eilte zu Alba und stützte sie, obwohl sie gar nicht vorhatte, in Ohnmacht zu fallen.
    Â»Meine Güte, Sie sollen doch nicht aufstehen. Warum haben Sie nicht den Knopf gedrückt?« Kekskrümel rieselten von ihren Lippen. »Wie fühlen Sie sich? Wissen Sie, was mit Ihnen passiert ist?«

    Alba schüttelte den Kopf. Sie wusste nichts mehr. Nicht einmal, ob die Krankenschwester und das kürzliche Gespräch real oder bloß ihrem Hirn entsprungen waren. Am liebsten hätte sie sich in eine Ecke verkrochen und geheult.
    Die Schwester tätschelte ihr die Hand. »Sie haben einen

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