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Nachtsplitter

Nachtsplitter

Titel: Nachtsplitter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maja von Vogel
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zerbrechen, warum ich nicht bei ihm landen konnte. War's denn wenigstens schön?«
    »Zwischen uns ist überhaupt nichts gelaufen«, sagte ich schnell. »Wir haben nur zusammen Bier getrunken, das ist alles.«
    Pia lachte spöttisch. »Mach mir nichts vor! Wenn du mir schon den Typen vor der Nase wegschnappst, musst du mir wenigstens
     alle schmutzigen Details erzählen.«
    »Da gibt's nichts zu erzählen. Mir ist schlecht geworden und ich musste kotzen. Ab da fehlt mir ein Stück im Film. Jakob muss
     irgendwann abgehauen sein. Und ich hab mich auf die Suche nach dir gemacht.«
    Dies war nicht der richtige Moment, um Pia von dem Auto zu erzählen. Ich hatte sowieso schon das Gefühl, zu viel verraten
     zu haben.
    »Weiß Markus davon?«, fragte Pia.
    »Natürlich nicht! Und er braucht es auch nicht zu erfahren.«
    Plötzlich lachte Pia laut auf und ich zuckte zusammen. »Was ist los?«
    »Du willst wissen, was los ist? Das kann ich dirsagen.« Pias Stimme klang so höhnisch, dass ich eine Gänsehaut bekam. »Bei Markus spielst du die eiserne Jungfrau, aber von
     Jakob lässt du dich betrunken befummeln. Das ist echt witzig, Jenny!«
    »Was soll das?«, fragte ich scharf. »Ich hab dir doch gesagt, dass zwischen Jakob und mir nichts gelaufen ist.«
    »Ja, aber das nehme ich dir nicht ab«, sagte Pia kalt. »Du tust immer so harmlos, dabei machst du alle Typen wild und lässt
     sie dann abblitzen. Kein Wunder, dass Robin keinen Bock mehr darauf hatte.«
    »Halt die Klappe!«, brüllte ich. »Du bist doch bloß sauer, weil du nicht bei Jakob landen konntest. Du erträgst es einfach
     nicht, wenn ein Typ nicht sofort auf dich abfährt. Ist dir schon mal die Idee gekommen, dass nicht jeder auf Arschgewackel
     und Freiluftsex steht?«
    »Wenigstens wissen die Typen, woran sie bei mir sind. Und glaub mir, du würdest dich wundern, wer so alles auf Freiluftsex
     steht.«
    Ehe ich etwas erwidern konnte, hatte Pia aufgelegt. Wütend warf ich den Hörer auf die Gabel. Fast hätte ich das Telefon genommen
     und gegen die Wand geknallt. Stattdessen holte ich tief Luft und schrie das Wort heraus, das ich Pia in diesem Moment am liebsten
     gegen den Kopf geknallt hätte:
    »SCHLAMPE!«
    Danach ging es mir zumindest ein bisschen besser.

5
    Nachmittags holte ich meine Mutter von der Arbeit ab. Wir wollten zusammen in die Stadt gehen, ein bisschen bummeln, vielleicht
     ein Eis essen. Als Ausgleich für das verpatzte Sonntagsessen. Nach dem Streit mit Pia hatte ich zwar keine große Lust darauf,
     aber ich konnte die Verabredung schlecht absagen. Außerdem war ein Ausflug in die Stadt vielleicht eine ganz gute Ablenkung.
    Pias Worte gingen mir immer wieder im Kopf herum. Es war einfach das Letzte von ihr zu behaupten, ich würde die Jungs absichtlich
     heißmachen – das war ganz eindeutig ihr Spezialgebiet!
    Als ich auf die Station kam, war Mama im Schwesternzimmer noch mit der Übergabe beschäftigt. Ich ging ein bisschen im Flur
     auf und ab und sah mich um. Meine Mutter und ihre Kolleginnen hatten sich wirklich Mühe gegeben, die Station ansprechend und
     fröhlich zu gestalten. An den sonnengelb gestrichenen Wänden hingen bunte Kinderbilder, es gab einen Aufenthaltsraum für die
     Eltern mit abgewetzten Polstermöbeln und vielen Topfpflanzen und ein Spielzimmer für die Kinder mit einem Schaukelpferd, Plüschtieren,
     zerfledderten Bilderbüchern und einem Spielhaus, das irgendein ortsansässiger Geschäftsmann vor Jahren gespendet hatte. Trotzdem
     war ich jedes Mal froh, wenn ich wieder draußen war. Ich hasseKrankenhäuser. Der Geruch nach Kantinenessen, Medikamenten und Desinfektionsmitteln, das quietschende Geräusch der Schuhe
     auf dem Linoleumboden, die durch die Gänge eilenden Ärzte und Pfleger in weißen Kitteln – das alles verursacht mir Übelkeit. Und selbst die Plüschtiere und die bunten Bilder auf der Kinderstation konnten nicht darüber
     hinwegtäuschen, dass der Schmerz vieler Menschen in jede Wand, jede Sofaritze und jede Mauernische gesickert war. Niemand
     kam freiwillig her. Ich sah auf die knallrote Uhr mit den Mickymaus-Zeigern an der Wand und hoffte, dass meine Mutter bald
     fertig war.
    Gegenüber öffnete sich eine Tür, sodass ich einen Blick in das dahinterliegende Patientenzimmer werfen konnte. Normalerweise
     werden die Zimmer mit mehreren Kindern belegt, aber in diesem Raum lag nur ein Kind. Ein Mädchen. Es wirkte klein und zerbrechlich
     in dem riesigen Krankenhausbett. Seine langen,

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