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Nachtsplitter

Nachtsplitter

Titel: Nachtsplitter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maja von Vogel
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Zufall sein? Mit zitternden Fingern holte ich mein Handy hervor, tippte meine alte Nummer
     ein und drückte auf die grüne Taste.
    Ich zuckte zusammen, als ein schwacher, mir sehr vertrauter Klingelton ertönte, und lauschte mit angehaltenem Atem. Das Klingeln
     kam aus dem Schrank. Ich ging hinüber und öffnete ihn. Das Klingeln wurde lauter. Ich dachte nicht mehr nach, sondern handelte
     ganz automatisch. Ich durchwühlte Jakobs Kleiderschrank. Socken, T-Shirts , Boxershorts landeten auf dem Boden. Dann spürte ich etwas Hartes, Kühles. Meine Hand schloss sich um einen kleinen Gegenstand
     und zog ihn hervor. In diesemMoment verstummte der Klingelton. Ich starrte auf mein altes, verloren geglaubtes Handy.
    »Jenny! Was machst du da?«
    Langsam drehte ich mich um. Jakob stand hinter mir.
    »Warum hast du mein Handy hier versteckt?«, fragte ich.
    Ich war so verblüfft, dass ich nicht mal sauer war. Ich konnte mir absolut keinen Reim auf die Sache machen.
    Jakob streckte die Hand aus. »Gib es mir.«
    Ich schüttelte den Kopf. »Nein!«
    Jakob seufzte. »Willst du immer noch wissen, was in der Nacht passiert ist?«
    Mir wurde kalt. Ich umklammerte das Handy fester. »Ja. Das will ich.«
    Er nickte resigniert, als hätte er diese Antwort erwartet. »Dann sieh dir die Videos an. Da ist alles drauf.« Er ließ sich
     auf sein Bett fallen.
    Mir war ein bisschen schwindelig. Ich setzte mich wieder auf den Sessel, bevor ich mit zitterndem Finger die Starttaste drückte.
    Das erste Video kannte ich schon.
     
    Meine Beine auf grauem Asphalt. Das Geländer gegenüber, dahinter die Autobahn. Weiße und rote Lichter in der Dunkelheit, die
     näher kommen und sich wieder entfernen. Schwenk zu Pia. Ihr Engelsgesicht im grellen Neonlicht. Der tropfenförmige Anhänger
     auf ihrem Hals. Sie
winkt und macht einen Kussmund. Dann ihre Stimme, flüsternd.
    »Was hältst du von Jakob? Der ist doch süß, oder?«
    Eine andere Stimme, meine. »Ich finde ihn eher distanziert. Und ziemlich arrogant. Vielleicht steht er nicht auf Mädchen.«
    Pia kichert. »Das werde ich schon noch herausfinden, keine Sorge.« Sie steht auf, stellt sich zu den Jungs. »Hast du vielleicht
     eine Zigarette für mich?«, fragt sie Jakob.
    »Klar.« Er zieht eine Zigarettenschachtel hervor, hält sie Pia hin. Pia bedient sich. Sie wirft ihre Haare über die Schulter
     zurück. »Hast du hier schon ein paar Leute kennengelernt?«
    »Nicht wirklich.«
    »Du bist eher der Einzelgänger-Typ, stimmt's?« Pia lächelt. »Das gefällt mir.«
    »Tatsächlich?«
    Pia nickt. »Tatsächlich.«
    Schlagzeughämmern aus der Ferne. Pia zieht noch einmal an ihrer Zigarette, schnippt sie über die Brüstung. »Scheint gleich
     weiterzugehen. Wollen wir zurück?«
    Meine Stimme aus dem Off: »Ach was, das dauert bestimmt noch. Die brauchen doch immer ewig für den Soundcheck.«
    »Genau.« Markus setzt sich neben mich. »Wir bleiben noch ein bisschen hier.«
    »Wie ihr wollt.« Pia sieht Jakob an. »Kommst du wenigstens mit? Oder willst du mich alleine durch den dunklen Waldgehen lassen?«
    »Natürlich nicht.« Dieses spöttische Funkeln in seinen Augen. »Du könntest dich schließlich verirren und von wilden Tieren
     gefressen werden.«
    »Genau.« Pia zwinkert mir zu. »Und ihr zwei treibt's nichts zu bunt, okay? Wir sehen uns später.«
    Pia und Jakob gehen davon. Ihre Silhouetten verschwinden in der Dunkelheit.
    Schnitt.
     
    Wie lange schien das her zu sein . . . Pia und ich, Markus und Jakob. Lichtjahre. Eine andere Welt, eine andere Zeit. Und
     andere Menschen. Wir hatten uns alle verändert. Und alles war anders geworden.
    Ich drückte auf Play. Erst blieb das Display dunkel. Dann sah ich schemenhafte Bewegungen.
     
    Dunkler Wald. Schwankende Zweige. Hier und da sickert Mondlicht hindurch. Moos auf dem Boden. Es schwankt auch. Oder bin ich
     es, die schwankt?
    »Was soll das, Jenny? Bleib stehen!« Jakobs Stimme.
    Kichern. Mein Kichern.
    »Jenny! Komm zurück! Wo willst du hin?«
    »Zum See! Schwimmen.« Meine Stimme, nuschelnd, vom Alkohol verzerrt.
    »Du kannst jetzt nicht schwimmen. Du bist betrunken.«
    Jakobs Gesicht in Nahaufnahme. Er steht direkt vor mir.
    Ich lache undlache undlache. Jakobs Gesicht wackelt, schwankt.
    Moos.
    Schnitt.
    Mein Gesicht. Zerzauste Haare, glasige Augen. So sehe ich also aus, wenn ich betrunken bin.
    »Gib mir das Handy! Es gehört mir!«
    »Erst wenn du mit mir zurückgehst.«
    »Nein! Ich will schwimmen.« Ich strecke Jakob die

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