Nächsten Sommer
Bord.
Es war nicht einfach nur Sex, wonach Ramona verlangte, nicht einfach nur »einmal mehr«. Es sollte – es musste! – perfekt sein: der erste nachschulische Erwachsenensex. Heute würden sie sich die Weihen für den nächsten Lebensabschnitt erwerben, Schluss mit dem Kinderkram. Sie zogen los und suchten nach der perfekten Bucht für den perfekten Sex.
Die ersten drei Buchten schieden aus, der Abstand zu Ramonas Eltern war noch nicht ausreichend. Die nächste wurde von einigen Hippies belagert, die um eine erloschene Feuerstelle herum dösten. Einer von ihnen steckte sich einen Joint an einem halb verkohlten Holzscheit an und sagte: »Yo, Mann!« Es folgten einige Strände, die Marcs Ansprüchen durchaus genügt hätten, aber die Vorstellung, dass hinter der nächsten Biegung ein noch schönerer – der perfekte! – Strand auf sie warten könnte, ließ Ramona nicht zur Ruhe kommen. Sie waren seit Stunden unterwegs, und Marc hatte einen schmerzhaften Sonnenbrand im Nacken, als Ramona entschied, die nächste Bucht zu nehmen, komme, was wolle. Marcs Beine waren müde, sein ganzer Körper war wie sprödes Holz. Ramonas athletische Schenkel trugen sie mühelos den |74| Steinwall hinauf, während Marc sich, den brennenden Schweiß im Nacken, mit den Händen auf den Knien abstützen musste. Aus irgendeinem Grund hatte Ramona auch keinen Sonnenbrand bekommen. Doch sie eilte voraus, und sie hatte ihr Tennisröckchen an und nichts darunter, und als sie über ihm die Felsen erklomm, machten ihre Pobacken die unglaublichsten Dinge.
Die Hoffnung auf den ultimativen Sexkick hatte Marc insgeheim aufgegeben und außerdem große Zweifel, ob ihm nach den Strapazen der vergangenen Stunden noch all das gelingen konnte, was er sich vorgenommen hatte. Aber Ramonas Pobacken brachten beide noch einmal richtig in Fahrt. Plötzlich war es nicht mehr die Suche nach dem perfekten Strand für den perfekten Sex, jetzt war klar: Der nächste Strand
war
der perfekte Strand. Er würde dazu werden durch den perfekten Sex, den sie dort gleich zelebrieren würden.
So arbeiteten sie sich den felsigen Ausläufer hinauf, schauten atemlos und bebend vor Erregung in die benachbarte Bucht hinunter und erblickten – die Yacht von Ramonas Eltern. Das Ende ihrer Beziehung kam im Frühherbst.
|75| 15
Wir bewegen uns wieder, im Gänsefüßchentempo. Die Reifen kleben am Teer wie Kaugummi. Bernhard schlägt vor, das Radio einzuschalten, vielleicht bringen sie was über den Stau. Marc sucht eine Radiostation, findet einen lokalen Sender, und der Bus füllt sich mit einer Mischung aus Boogie-Woogie, Blasorchester und Chanson.
»Die Franzosen schrecken vor nichts zurück«, stellt Marc fest, doch er raucht gerade den Joint, den er vorhin gedreht hat, was ihn stets mit der Welt und all ihren merkwürdigen Ausformungen versöhnt.
Zoe hingegen hat genug: genug von diesem Stau und genug von Marcs Weisheiten. Sie will anhalten und auf Toilette, und zwar
jetzt
, einfach zehn Minuten über gar nichts nachdenken und niemanden um sich haben müssen, der ihr mit schlauen Sprüchen und belehrenden Parabeln kommt.
»Ich hab’s kapiert, Marc«, sagt sie, »deine Parabel. Aber bilde dir bloß nicht ein, dass du besser bist als Ramona – nur dass du nicht nach dem perfekten Strand suchst, sondern nach der perfekten Melodie.«
Marc zieht an seinem Joint und grinst. Er könnte es ihr erklären – dass es ein schmaler Grat ist zwischen »das Richtige finden« und »krankhaft suchen«. Wem nichts gut genug ist, der läuft eben immer nur im Kreis. So viele schöne Strände …
»Heißt das, du stehst auf mich?«, fragt er.
»Bild dir bloß nichts ein!«
Für Zoe wird es im Bus von Minute zu Minute enger. Vor uns liegt Grenoble. Die Ausläufer eines tristen Außenbezirks strecken ihre Tentakel nach uns aus. Rostige Hallen wechseln sich mit umzäunten Höfen ab, auf denen Aluprofile, Blumenkübel und Steinfliesen schwitzen. Zwischendrin eine Paintball-Arena, in der erwachsene Männer nach Feierabend so tun, als würden sie sich |76| gegenseitig totschießen, und das lustig finden. Nach einer halben Stunde nähert sich endlich eine Autobahntankstelle. Weitere zwanzig Minuten später haben wir die Ausfahrt erreicht.
Auf der Raststätte ist es so voll, dass wir auf eine freie Parklücke warten müssen. Alle wollen sich vom Stau erholen, sich mit der Kühle eines gekachelten Bades umgeben, kaltes Wasser ins Gesicht spritzen. Zoe eilt voraus, Marc und Lilith folgen in
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