Nächte in Babylon
etwas Bestimmtes. Aber ich kann es nicht finden. Wenn ich bloß meinen Computer dabeihätte. Sie haben nicht zufälligerweise einen? Mit Internet?«
Sie schüttelte den Kopf. »Aber ich weiß, wo ein Internetcafé ist. Ich könnte es Ihnen zeigen.«
»Jetzt gleich?«
»Amalie! Wo steckst du, du verfluchtes Miststück?«, dröhnte Debord betrunken die Treppe herauf.
»Komme schon!«, rief sie zurück.
»Wo treibst du dich rum? Was machst du?«
»Morgen«, sagte sie eilig zu Perec. »Dann geht er auf die Rennbahn.« Sie lief nach unten.
»Was wolltest du da oben?«, hörte Perec ihren Vater fragen.
»Ich habe ihm frische Handtücher gebracht.«
»Wie viele Handtücher braucht der kleine Wichser denn noch? Du bleibst weg von dem Kerl, verstanden?«
Am nächsten Morgen begleitete Amalie, nachdem sie den Haushalt erledigt hatte, Perec zu dem Internetcafé. Ihre Augen waren nicht mehr so geschwollen, ihre Haare frisch gewaschen. Sie trug ein leichtes Sommerkleid und hatte Augen und Lippen geschminkt. Perec war erleichtert, dass sie ihn heute nicht einfach mit sich zog, auch wenn ihre Hand beim Gehen hin und wieder die seine streifte.
»War das Ihr Ernst?«, fragte sie. »Dass Sie alle Menschen hassen?«
»Weiß nicht«, sagte Perec. »Doch. Manchmal schon.«
»Gibt es jemanden, den Sie nicht hassen?«
»Ja.« Er dachte an Anna.
»Hassen Sie mich?«, fragte Amalie.
»Nicht besonders«, antwortete Perec ehrlich.
Amalie lachte.
»Das ist ja immerhin ein Anfang«, sagte sie. »Ich hasse Sie auch nicht besonders.«
Perec wurde nervös, als er sah, dass in dem Internetcafé schon ein paar Leute vor den Bildschirmen hockten. Er hatte noch nie einen anderen Computer benutzt als den in Annas Welt.
»Bonjour, Yves!«, begrüßte Amalie den jungen Mann hinter der Theke.
»Bonjour, Amalie! Wie geht’s?«
»Danke, gut. Das ist mein Freund Vincent.«
Yves gab ihm die Hand. Perec schlug widerstrebend ein.
»Wir brauchen einen Computer«, sagte Amalie zu Yves.
»Könnt ihr haben.«
Nachdem Perec bezahlt hatte, suchten sie sich einen freien Platz.
»Waren Sie noch nie in einem Internetcafé?«, fragte Amalie.
Perec schüttelte den Kopf.
»Es ist ganz einfach, genauso wie zu Hause.«
Geduldig zeigte sie ihm, wie es ging.
»Was sollen wir zuerst suchen?«
»Filme«, sagte Perec.
»Mögen Sie Filme? Ich liebe Filme! Wir haben einen DVD -Spieler zu Hause, aber die DVD s sind so teuer. Schauen wir mal, was gerade im Kino läuft.«
Sie sahen sich die Suchergebnisse auf dem Bildschirm an.
»Ist etwas dabei, das Ihnen gefällt?«
»Nein.«
»Geht mir auch so. Ich mag Audrey-Hepburn-Filme. Mögen Sie Audrey Hepburn?«
»Nein.«
»Natürlich nicht, wie konnte ich das vergessen. Sie mögen ja niemanden.«
Sie warf einen Blick auf die Wanduhr.
»Ich kann nicht mehr bleiben. Er kommt bald nach Hause. Und wahrscheinlich ist er schon betrunken. Kriegen Sie es jetzt alleine hin?«
Perec nickte.
Sobald sie zur Tür hinaus war, googelte er nach Anna.
Er entdeckte einen Artikel, in dem es darum ging, wo die Filmstars während der Festspiele wohnten. Es war ein Interview mit Annas Maklerin, Ms. May, die mehrere Immobilien an Prominente vermittelt hatte. Doch nähere Angaben über die Objekte ließ sie sich nicht entlocken. Dafür wurde er an anderer Stelle fündig. Ein Bericht über ein Gespräch mit Anna, das in ihrer »angemieteten Luxusvilla in den Hügeln oberhalb von Cannes« stattgefunden hatte, gab ihm den entscheidenden Hinweis.
Perec ging auf die Seite der Maklerin und suchte nach Häusern, auf die diese Beschreibung zutraf. Es gab nur eines.
Perec fuhr mit dem Bus in die Berge und ging das letzte Stück zu Fuß, ohne sich ganz bis zum Haus vorzuwagen, da es garantiert von Kameras überwacht wurde. Das alte Weingut stand, überragt von einer hohen Felswand, am Rand einer Schlucht. Perec umwanderte es im weiten Bogen, stieg von der anderen Seite den Berg hinauf und arbeitete sich, geschützt von den Bäumen, so nah heran, dass er das Kommen und Gehen in der Villa beobachten konnte. Als er noch ein bisschen weiter hinaufkletterte, konnte er sogar über die Mauer auf das Anwesen blicken. Perec sah die schwarze Limousine und den wartenden Chauffeur, sah Anna und Spandau aus dem Haus kommen und einsteigen. Das Tor öffnete sich, der Wagen rollte hindurch und fuhr davon.
Er pirschte sich den Berg wieder nach unten und folgte der Grundstücksgrenze, so gut es eben ging, ohne vom Haus gesehen zu werden. Nachdem
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