Nana
hinter der Bühne dahinlief, eines schmalen Durchlasses, wo Tag und Nacht das Gas brannte. Um die Geschichte zu beschleunigen, sprach er sofort von der Rolle der Kokotte.
Prächtige Rolle, was? Wie für dich geschaffen. Komm morgen zur Probe.
Nana blieb kühl; sie wollte erst den dritten Akt sehen, meinte sie.
Oh, der dritte Akt ist ausgezeichnet. Die Herzogin spielt zu Hause die Kokotte, was den Herzog anwidert und wieder auf die Bahn des Guten führt. Dazu eine sehr drollige Verwechslung: Tardiveau erscheint und glaubt bei einer Tänzerin zu sein ...
Und Geraldine? unterbrach sie ihn.
Geraldine? sagte Bordenave verlegen, Geraldine hat eine Szene in dem Akte, nicht sehr lang, aber höchst wirkungsvoll ... Wie für dich gemacht, sage ich dir. Nun, unterschreibst du?
Sie blickte ihm scharf ins Gesicht und sagte endlich:
Wir werden sofort sehen.
Sie folgte Labordette, der sie auf der Treppe erwartete. Das ganze Theater hatte sie wieder erkannt. Man zischelte; Prullière tat sehr entrüstet über die Wiederaufnahme Nanas; Clarisse zitterte für ihre Rolle. Fontan benahm sich sehr kühl; er könne einer Frau nicht feindlich gesinnt sein, die er einst geliebt, meinte er. Im Grunde aber bewahrte er einen tiefen Haß gegen sie; das war sein Dank für ihre Ergebenheit, ihre Schönheit, für dieses Zusammenleben, das ihm in der Verderbtheit seines ungeheuerlichen Geschmackes nicht mehr behagte.
Rosa Mignon, durch Nanas Anwesenheit stutzig gemacht, hatte, als sie Labordette sich dem Grafen nähern sah, sofort begriffen, was vorgehe. Muffat war ihr im Grunde lästig, doch der Gedanke, im Stiche gelassen zu werden, brachte sie außer sich. Sie trat aus dem Schweigen heraus, das sie sonst über diese Dinge ihrem Gatten gegenüber beobachtete und sagte rauh:
Du siehst, was da vorgeht? Wenn sie die Geschichte mit Steiner wiederholen will, kratze ich ihr die Augen aus.
Mignon zuckte ruhig die Achseln wie ein Mann, der alles sieht, und sagte leise:
Tu' mir den Gefallen und schweige.
Er wußte woran er war. Er hatte Muffat ausgebeutet und war bereit, ihn der Nana zuzuführen. Gegen Leidenschaften dieser Art kämpfte man vergebens, und als gewiegter Kenner der Herrenwelt dachte er nur mehr daran, aus der Lage den größtmöglichen Nutzen zu ziehen. Das Weitere würde sich finden.
Rosa auf die Bühne, rief Bordenave; wir beginnen den zweiten Akt.
Vorwärts, sagte Mignon, laß mich nur machen.
Es kam ihm der drollige Gedanke, Fauchery zu seinem neuen Stücke zu beglückwünschen. Das Stück ist vortrefflich, meinte er, aber die große Dame ist zu tugendhaft. Das sei unnatürlich. Und so spottete er weiter, indem er fragte, wer für den Herzog von Beaurivage, den schwachsinnigen Verehrer der Geraldine, Modell gestanden habe? Fauchery lächelte und schien durchaus nicht zu zürnen. Bordenave dagegen, der einen Seitenblick auf Muffat geworfen, schien verdrossen zu sein, was Mignon überraschte und nachdenklich machte.
Werden wir endlich anfangen? heulte der Direktor. Vorwärts, Barillot! Ist Bosc wieder nicht da? Macht sich der etwa gar einen Ulk mit mir?
Doch Bosc kam ruhig und die Probe wurde in dem Augenblicke wieder aufgenommen, als Labordette den Grafen fortführte. Dieser zitterte bei dem Gedanken, Nana wiederzusehen. Nach dem Bruche zwischen ihnen hatte er eine ungeheure Leere im Innern empfunden und sich willenlos zu Rosa führen lassen. In dem Taumel, der ihn gefangen genommen, wollte er alles vergessen. Er bekämpfte den Gedanken, Nana aufzusuchen, und vermied auch jede Erklärung der Gräfin gegenüber. Er glaubte, diese Vergessenheit seiner Würde schuldig zu sein. Doch im Innern seines Wesens vollzog sich unmerklich eine Wandlung. Nana eroberte ihn allmählich wieder durch die Erinnerungen, durch die Feigheit seines Fleisches, durch neue zärtliche, fast väterliche Gefühle. Die Erinnerung an jene abscheuliche Szene verwischte sich langsam; er sah Fontan nicht mehr; er hörte Nana nicht mehr, wie sie ihm die Türe wies und ihm den Ehebruch seiner Gattin ins Gesicht schleuderte. Alldas waren verlöschte Worte, während im Herzen eine Beklemmung zurückgeblieben war, deren Wonne ihn immer mehr bedrückte, um ihn fast zu ersticken. Zuweilen kamen ihm kindische Gedanken; er klagte sich selbst an und dachte, sie hätte ihn vielleicht nicht betrogen, wenn er sie wirklich geliebt hätte. Seine Beklemmung wurde unerträglich; er war sehr unglücklich. Es war wie das ewige Brennen einer alten Wunde; nicht mehr das
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