Nana
Grafen in die höchste Aufregung.
Nein, niemals, rief er aus.
Sie wartete. Es drängten sich ihr die Worte auf die Lippen: Fauchery darf dir nichts abschlagen; aber sie fühlte, daß dieser Schatz als Grund gar zu grausam sei. Doch lächelte sie, und ihr drolliges Lächeln sagte alles. Muffat, der sie angeblickt hatte, schlug verwirrt die Augen nieder.
Du bist nicht sehr gefällig, murmelte sie endlich.
Ich kann nicht, erwiderte er beklommen. Alles, was du willst, nur das nicht. Ich bitte dich.
Jetzt verlor sie nicht viel Zeit mehr mit Worten. Sie lehnte mit ihren kleinen Händen seinen Kopf zurück und drückte ihm einen langen Kuß auf die Lippen. Er bebte unter ihrer Umarmung zusammen und schloß die Augen.
Sie richtete ihn wieder auf und sagte einfach:
Geh'.
Und er ging. Bevor er die Schwelle überschritt, nahm sie ihn noch einmal in ihre Arme, spielte die Unterwürfige und Zutunliche und rieb wie eine Katze ihr Kinn an seiner Weste.
Wo ist das Haus? fragte sie leise mit der Miene eines schlimmen Kindes, das auf die guten Sachen zurückkommt, die es anfänglich nicht gewollt.
Villiers-Allee.
Und ich bekomme auch Wagen?
Ja.
Und Spitzen, Diamanten?
Ja.
Wie gütig bist du, mein Hündchen! Weißt du – vorhin geschah es nur aus Eifersucht ... Es soll nicht wieder so kommen, wie das erstemal; du weißt nun, was eine Frau braucht. Du gibst mir alles, wie? Ich brauche sonst niemanden. Nun ist alles dein ... das und das und das.
Sie erstickte ihn fast mit Küssen, dann schob sie ihn hinaus. Sie war wieder allein in dem mißduftenden Raume, den diese unordentliche Mathilde so verwahrloste. Sie öffnete das Fenster wieder und blickte hinaus auf die Passage, um sich die Zeit des Wartens abzukürzen. Muffat stieg schwankend und mit summendem Kopfe die Treppe hinab. Was sollte er sagen? Wie sollte er diese Angelegenheit anfassen, die ihn gar nichts anging?
Als er auf die Bühne kam, hörte er einen Streit. Man beendigte eben den zweiten Akt, und Prulliére regte sich auf, weil Fauchery aus seiner Rolle etwas streichen wollte.
So streichen Sie das ganze, rief er; das ist mir lieber ... Die Rolle macht kaum zweihundert Zeilen und Sie wollen sie noch beschneiden? Nein! Ich bin es satt und gebe die Rolle zurück.
Er zog ein kleines, zerknittertes Heft aus der Tasche, drehte es fieberhaft zwischen den Fingern und machte Miene, es dem Vater Cossard hinzuwerfen. Die verletzte Eitelkeit zog sein bleiches Gesicht, seine schmalen Lippen, seine funkelnden Augen zusammen; er vermochte seine Aufregung nicht zu meistern. Er, Prulliére, der Abgott des Publikums, sollte eine Rolle von zweihundert Zeilen spielen.
Warum läßt man mich nicht gar Briefe auf der silbernen Platte hereinbringen? fügte er bitter hinzu.
Seien Sie vernünftig, sagte Bordenave, der ihn wegen des Eindrucks schonte, den er auf das Logenpublikum machte. Fangen Sie nicht Ihre Geschichten wieder an. Man wird etwas für Sie finden, nicht wahr, Fauchery? Man kann sogar im dritten Akte noch eine Szene einfügen.
Gut, dann will ich den Schluß des letzten Aktes haben. Man ist mir das schuldig.
Fauchery machte eine zustimmende Miene, und Prulliére schob, obgleich noch immer unzufrieden, die Rolle wieder in die Tasche. Bosc und Fontan blickten während dieser Auseinandersetzung sehr gleichgültig drein. Das interessierte sie nicht. Die Schauspieler umringten Fauchery, um verschiedene Fragen an ihn zu richten und ein Lob aus seinem Munde zu erhaschen. Mignon hörte die letzten Beschwerden Prulliéres an und spähte dabei nach dem Grafen Muffat, dessen Rückkehr er erwartete. Der Graf war im Hintergrunde der Bühne stehen geblieben, weil er in den Streit nicht hineingeraten wollte, doch Bordenave erblickte ihn und eilte auf ihn zu.
Eine saubere Gesellschaft, wie, Herr Graf? Sie können sich nicht denken, welche Plage ich mit diesen Leuten habe. Der eine ist eitler als der andere und schlecht und verdorben, entzückt, wenn ich mir Hals und Beine bräche. Doch Verzeihung, ich ereifere mich allzusehr.
Er hielt an sich, Stillschweigen ...
Muffat rang nach dem ersten Worte, doch er fand nichts und stieß plötzlich hervor:
Nana will die Rolle der Herzogin haben.
Bordenave fuhr auf und schrie:
Das ist ein Wahnsinn.
Dann blickte er auf den Grafen und sah diesen bleich, verstört. Er beruhigte sich bald.
Teufel! sagte er einfach.
Da schwiegen wieder beide. Ihm war es im Grunde gleichgültig. Diese große, starke Nana wird in der Rolle einer Herzogin
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