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Nana

Titel: Nana Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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vielleicht ganz drollig sein. Überdies war es ein Mittel, den Grafen zu erwischen und festzuhalten. Er faßte denn auch rasch einen Entschluß und rief Fauchery herbei.
    Der Graf hielt Bordenave zurück; Fauchery hatte den Ruf nicht gehört. Er stand mit Fontan abseits und mußte von diesem eine Erklärung über sich ergehen lassen, wie er, Fontan, den Tardiveau auffasse. Er faßte ihn als Marseiller auf, der auch mit diesem Akzent spricht, und ahmte den Akzent auch gleich nach. Fauchery blieb kühl und machte Einwendungen, was Fontan erregte. Gut, meinte er, wenn man glaubt, ich habe den Geist der Rolle nicht aufgefaßt, so ist es besser, sie gleich einem anderen zu geben.
    Fauchery! rief Bordenave.
    Der Journalist war froh, dem Schauspieler zu entkommen; Fontan war wütend über diese plötzliche Flucht.
    Kommen Sie, meine Herren, sagte Bordenave.
    Um vor unberufenen Ohren sicher zu sein, führte er die Herren in das Requisitenmagazin, das hinter der Bühne lag. Mignon sah sie zu seiner Überraschung verschwinden. Die Herren mußten einige Stufen hinabsteigen, um dorthin zu gelangen. Es war dies ein viereckiger Raum mit zwei Fenstern, die auf den Hof gingen; durch die schmutzigen Scheiben fiel fahles Zwielicht. Da war ein unbeschreibliches Durcheinander von verschiedenartigem Plunder; Teller und Becher aus Kartonpapier, alte rote Regenschirme, italienische Krüge, Wanduhren in jedem Stil, Tassen, Tintenfässer, Waffen aller Gattung, alles bedeckt mit einer fingerdicken Staubschicht, unkenntlich, zerbrochen, übereinander geworfen. Ein unerträglicher Geruch von altem Eisen, schmutzigen Fetzen, feuchtem Papier stieg aus diesem Haufen empor, in dem seit fünfzig Jahren die Requisiten abgespielter Stücke übereinandergeworfen wurden.
    Treten Sie ein, meine Herren, sagte Bordenave, da werden wir ungestört sein.
    Der Graf befand sich in arger Verlegenheit; er stand abseits und überließ es dem Direktor, den Vorschlag zu machen.
    Was gibt es denn? fragte Fauchery erstaunt.
    Wir haben einen Gedanken, sagte Bordenave endlich. Sie dürfen sich darüber nicht allzu sehr aufregen, die Sache ist ernst. Was halten Sie von Nana in der Rolle der Herzogin?
    Der Autor war einen Augenblick sprachlos; dann brach er los:
    Nein, das ist nicht möglich. Sie scherzen wohl nur. Man würde zuviel lachen.
    Wenn man lacht, wäre es schon nicht so schlimm ... Überlegen Sie ... Der Herr Graf findet großen Gefallen an den Gedanken.
    Um sich Haltung zu geben, hatte Muffat von einem staubigem Brett einen Gegenstand genommen, den er nicht zu erkennen glaubte. Es war ein Eierbecher, dessen Fuß man aus Gips ersetzt hatte. Er betrachtete diesen eine Weile wie geistesabwesend und näherte sich dann den Herren, indem er bemerkte:
    Ja, ja, es wäre mir sehr angenehm.
    Fauchery wandte sich mit der Gebärde der Ungeduld zum Grafen. Was hatte sich der Graf um sein Stück zu kümmern? Er erklärte rundweg:
    Niemals ... Nana als Kokotte: das geht. Aber Nana als ehrbare Frau: das hat keinen Sinn.
    Sie täuschen sich, ich versichere Ihnen, sagte Muffat, allmählich Mut gewinnend. Sie hat mir soeben die ehrbare Frau vorgespielt ...
    Wo denn? fragte Fauchery mit wachsendem Erstaunen.
    Da oben, in einer Loge. Es ging sehr gut. Eine seltene Vornehmheit ... Sie hatte insbesondere einen Blick ... Warten Sie, ich will Ihnen zeigen ...
    Und in seinem blinden Willen, die Herren zu überzeugen, vergaß er sich so weit, daß er, den Eierbecher in der Hand, sich anschickte, Nana nachzuahmen. Fauchery betrachtete ihn verblüfft. Er begriff und zürnte nicht mehr. Der Graf, der den spöttischen und mitleidsvollen Blick des Journalisten auf sich ruhen fühlte, hielt errötend inne.
    Mein Gott, es ist ja möglich, murmelte der Verfasser gefällig. Sie wird vielleicht sogar gefallen. Aber die Rolle ist vergeben; wir können sie der Rosa nicht wegnehmen.
    Ach, wenn kein anderes Hindernis ist, sagte Bordenave, so nehme ich es auf mich, die Angelegenheit zu regeln.
    Da der Journalist sah, daß er alle beide gegen sich habe, und daß Bordenave ein geheimes Interesse an der Sache haben müsse, sträubte er sich jetzt mit doppelter Hartnäckigkeit gegen diese Zumutung, so daß es schien, als solle die ganze Verhandlung Schiffbruch leiden.
    Nein, nein, nein. Selbst wenn die Rolle frei wäre, würde ich sie ihr nicht geben. Da haben Sie meine klare Antwort, lassen Sie mich jetzt in Ruhe. Ich habe keine Lust, mein Stück umbringen zu lassen.
    Wieder Stillschweigen. Bordenave

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