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Nana

Titel: Nana Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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fünfzigfaches Geld. Was geht denn vor?
    Jetzt erschien auch Labordette. Man schloß eben die Bahn ab, ein Glockenzeichen kündete das erste Rennen an. Inmitten des Geräusches der Erwartung befragte sie ihn über dieses plötzliche Ansteigen, doch er antwortete ausweichend; ohne Zweifel war die Nachfrage groß. Sie mußte sich mit dieser Erklärung begnügen; übrigens meinte Labordette, Vandeuvres werde sich einen Augenblick freimachen, um bei ihr vorzusprechen.
    Das erste Rennen war bald vorüber, man interessierte sich nicht sehr dafür, denn die ganze Aufmerksamkeit war dem großen Pariser Preise zugewendet. In diesem Augenblicke riß eine Wolke und ein heftiger Gußregen strömte auf die Bahn nieder. Unbeschreibliches Geschrei, untermischt mit Scherzen und Flüchen, erhob sich in der Menge, und wer nur konnte, suchte unter den Zeltdächern der Trinkhallen Zuflucht. Die Damen in den Wagen suchten unter ihren Sonnenschirmen Schutz, während die geschäftigen Lakaien in ihren aufgestülpten Kapuzen umherliefen. Doch der Platzregen dauerte nicht lange, bald brach die Sonne wieder hervor. Hinter der Wolke öffnete sich eine breite blaue Spalte am Himmel. Diese Aufheiterung des Himmels brachte auch den Damen wieder ihre gute Laune.
    Ach, du armer kleiner Ludwig, rief Nana; bist du sehr naß geworden, mein Allerliebster?
    Der Kleine ließ sich abtrocknen, ohne zu antworten. Nana hatte ihr Sacktuch genommen und trocknete zuerst den Kleinen und dann das Hündchen ab. Ihr weißes, seidenes Kleid werde wohl einige Flecke davontragen, aber sie mache sich nichts daraus. Die Sträuße waren durch den Regen erfrischt worden und schöner und duftiger als vorher. Der Regenguß hatte indessen die Tribünen plötzlich gefüllt; Nana blickte mit ihrem Opernglas umher.
    Aus der Entfernung konnte man nur eine feste, undeutliche Masse unterscheiden, einen dunkeln Hintergrund, aus dem sich die weißen Flecke der menschlichen Gesichter abhoben. Nana unterhielt sich hauptsächlich über die Damen, die der Platzregen von den Sesseln verjagt hatte, die hart an der Bahn am Fuße der Tribünen aufgestellt waren. Da den Dämchen von zweifelhaftem Rufe der Eintritt in den Wiegeraum untersagt war, machte Nana herbe, spöttische Bemerkungen über alle diese Damen, die diesen Vorzug genießen durften.
    Jetzt lief ein Geräusch durch die Menge: die Kaiserin war eben auf der kleinen Mitteltribüne erschienen. Diese Tribüne hatte die Form eines Schweizer Pavillons; auf dem Balkon stand eine Reihe von roten Sesseln.
    Ah, da ist ja auch der Graf, rief Georges. Ich wußte nicht, daß er diese Woche Dienst habe.
    Hinter der Kaiserin tauchte die stramme, feierliche Figur des Grafen Muffat auf. Die jungen Leute machten sich lustig über ihn und bedauerten, daß Satin nicht da sei, um ihn zu verhöhnen. In diesem Augenblicke bemerkte Nana durch ihr Opernglas den Kopf des Prinzen von Schottland, der sich auf der kaiserlichen Tribüne befand.
    Schau, Charles, rief sie.
    Sie fand, daß er in den letzten achtzehn Monaten, seit sie ihn gesehen, sehr fett geworden war; und sie gab Einzelheiten über seinen Körper. Ein prächtig gebauter Herr ...
    In den Wagen ringsumher flüsterten die Damen einander zu, der Graf habe Nana sitzen lassen. Es war eine ganze Geschichte. Man sei in den Tuilerien, seitdem der Graf sein Verhältnis zu Nana offenkundig machte, über das Betragen des Kammerherrn empört gewesen. Um seine Stellung zu erhalten, habe er mit Nana gebrochen. La Faloise hinterbrachte Nana diese Geschichte brühwarm und bot sich ihr von neuem an, wobei er sie abermals »Meine Julia« nannte.
    Doch sie lachte laut und sagte:
    Das ist zu einfältig. Sie kennen ihn nicht. Ich brauche nur »Pst!« zu machen, und er läßt mir zuliebe die ganze Welt fahren.
    Seit einigen Minuten betrachtete sie durch das Glas auch die Gräfin und ihre Tochter. Daguenet befand sich in Gesellschaft der Muffatschen Damen. Jetzt kam Fauchery, der die ganze Umgebung störte, um die beiden Damen begrüßen zu können. Auch er blieb lächelnd in der Gesellschaft der Muffatschen Damen. Nana zeigte mit einer verächtlichen Gebärde nach der Tribüne und fuhr fort:
    Diese Leute imponieren mir überhaupt nicht ... Ich kenne sie zu genau ... Man muß diese Leute sehen, wenn sie schwach werden ... Da verdienen sie sehr wenig Achtung. Ob hoch, ob niedrig. Schwein bleibt Schwein. Darum soll man mich in Ruhe lassen mit diesem Volk.
    Ihre Gebärde umfaßte die ganze große Menge, von den

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