Nana
Lusignan diesem Gresham überließ, der, wie La Faloise behauptete, niemals ans Ziel kam. Doch alle diese Bemerkungen gingen in einer Flut von Scherzen und Gegenerklärungen und in dem Getöse der bunten Menge unter. Man begann wieder, Champagner zu trinken, um die Zeit zu töten. Da lief ein Geflüster durch die Menge, und die Gruppe machte einem Ankommenden Platz. Es war Vandeuvres.
Nana tat, als ob sie verletzt sei.
Sehr schön, daß Sie jetzt kommen; ich brenne schon vor Verlangen, den Wiegeraum zu sehen.
So kommen Sie, es ist ja noch Zeit; ich habe eine Damenkarte bei mir.
Sie ging an seinem Arme fort, glücklich über die neidischen Blicke von Lucy, Karoline und allen übrigen. Im Wagen blieben die beiden Hugon und La Faloise zurück und schenkten weiter von ihrem Champagner ein. Auf halbem Wege rief sie ihnen zu, sie werde sofort zurückkommen. Vandeuvres bemerkte jetzt Labordette, er rief ihn herbei und die beiden Herren tauschten einige kurze Bemerkungen aus.
Sie haben alles aufgenommen?
Ja.
Für wie viel?
Fünfzehnhundert Louisdors, so ziemlich überall.
Nana spitzte neugierig das Ohr, daher schwiegen sie. Vandeuvres war in höchster Aufregung; in seinen Augen erschien jenes seltsame Leuchten, das zur Nachtzeit sie in ihrem Bette so oft erschreckt hatte. Es war damals, als er davon sprach, sich mit seinen Pferden in seinem Stalle zu verbrennen. Als sie über die Bahn gingen, sprach sie mit gedämpfter Stimme zu ihm:
Sag' einmal. Erkläre mir: warum steigt denn deine Stute im Werte? Das macht Aufsehen.
Er schreckte zusammen und ließ die Worte fallen:
Ah, spricht man schon davon? Welches Gesindel, diese Wettenden? Wenn ich ein Favoritpferd habe, werfen sich alle darauf. Kommt dann ein zweites, so fallen sie wieder über dieses her.
Du hättest mich benachrichtigen sollen; ich habe gewettet. Hat das Nebenpferd Gewinnmöglichkeiten?
Laß mich in Ruh', rief er wütend; jedes Pferd hat sie. Der Wert des Nebenpferdes steigt, weil man darauf gewettet hat; wer gewettet hat, kann ich nicht wissen. Wenn du mich mit solchen Fragen quälen willst, laß ich dich stehen.
Dieser Ton lag seinem sonstigen Wesen, sowie seinen Gewohnheiten fern; sie war mehr erstaunt als beleidigt. Er selbst schämte sich seiner Aufwallung, und da sie ihn ersuchte, etwas höflicher zu sein, entschuldigte er sich. Seit einiger Zeit kamen solche plötzliche Anwandlungen in seiner Stimmung vor. Es war in Paris bekannt, daß er heute seinen letzten Trumpf ausspiele. Wenn seine Pferde nicht gewinnen, wenn sie die ansehnlichen Summen, die auf sie gewettet worden, nicht davontragen, so war es für ihn ein Verhängnis, eine Katastrophe, der Zusammenbruch seines Kredits, ein ungeheurer Abgrund öffnete sich dann unter seiner mühsam aufrecht erhaltenen Scheinexistenz. Nana, auch das wußte jeder, war die Männervertilgerin, die diesem ohnehin stark erschütterten Vermögen den Rest gab. Man erzählte von wahrhaft verrückten Launen, bei denen das Geld sozusagen in den Wind verstreut wurde. Man erzählte von einer Partie nach Baden-Baden, bei der er nicht soviel Geld behielt, um die Hotelrechnung zu bezahlen. Ein anderes Mal soll sie im betrunkenen Zustande eine Handvoll Diamanten in den Kamin geworfen haben, um zu sehen, ob sie eben so gut brennen wie die Kohlen. Dieses große, starke Weib hatte allmählich vollständig Besitz genommen von diesem ruinierten Sprößling eines edlen Geschlechtes. Acht Tage vor dem Rennen erst hatte sie sich von ihm ein Schloß in der Normandie zwischen Havre und Trouville versprechen lassen, und er setzte alle Hebel in Bewegung, um dies letzte Ehrenwort zu halten. Allein, sie machte ihn jetzt nervös, und er fand sie so dumm, daß er Lust hatte, sie zu prügeln.
Der Türhüter ließ sie in den Wiegeraum eintreten; er wagte es nicht, diese Dame, die am Arme des Grafen ging, anzuhalten. Nana, stolz darüber, endlich den Fuß auf diesen verbotenen Boden setzen zu dürfen, benahm sich geziert und ging langsamen Schrittes an den Damen vorbei, die am Fuße der Tribünen standen. Auf zehn Reihen von Sesseln befand sich eine dichte Masse von Toiletten, deren lichte Farben im heiteren Sonnenschein hell schimmerten. Da und dort wurde ein Sessel verschoben; verschiedene Familienkreise bildeten sich je nach dem Zufall des Zusammentreffens wie in einem öffentlichen Garten. Man sah Kinder von einer Gruppe zur anderen laufen. Weiter oben breiteten sich die Tribünen mit ihren langen Sitzreihen voll Zuschauern aus.
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