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Nana

Titel: Nana Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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Gebärde das Pferd antreibend, das sein Interesse vertrat. Immer deutlicher wurde ein Schrei hörbar, der Schrei des Wilden, der unter dem Überrock des zivilisierten Städters hervorbricht:
    Da sind sie ... Da sind sie ...
    Nana gewann noch weiter an Boden.
    Valerio II. war jetzt zurück, und Nana hatte mit Spirit auf zwei oder drei Halslängen die Führung. Das Getrappel hatte immer mehr zugenommen.
    Jetzt kamen sie an. Ein Sturm von Flüchen empfing sie in dem Landauer.
    Hü! Lusignan, faules Tier! ... Sehr schick, der Engländer. Nur vorwärts, Alterchen ... Und dieser Valerio, der ist ja ekelhaft! ... Ah, die Schindmähre ... Meine zehn Louis sind futsch ... Es gibt nur eine Nana. Bravo, bravo Nana.
    Nana hatte, ohne es zu merken, sich von ihrem Sitz erhoben, ein Schaukeln der Schenkel und Hüften angenommen, als ob sie selbst laufen wollte. Sie bewegte den Bauch; es schien ihr, als ob das der Stute helfen werde. Bei jeder solchen Bewegung stieß sie einen Seufzer der Ermüdung aus. Sie sagte mit leiser, gepreßter Stimme:
    Lauf ... Lauf ... Lauf ...
    Ein herrliches Schauspiel bot sich. Price, im Steigbügel aufrecht, die Peitsche hoch schwingend, bearbeitete Nana mit eisernem Arm. Dieses vertrocknete, alte Kind, mit dem langen, harten, totenstarren Gesichte sprühte Flammen. In einer äußersten Anstrengung wütender Verwegenheit und siegreichen Willens übertrug er seinen eigenen Eifer auf die Stute. Er hielt sie aufrecht, er führte sie, die schaumtriefend und mit blutunterlaufenen Augen dahin galoppierte. Mit dem keuchenden Atem die Luft vor sich herfegend, raste jetzt das ganze Feld wie der Blitz vorüber, während der Preisrichter sehr kühl und mit ruhigem Auge spähend, auf seinem Posten wartete. Dann ertönte ein ungeheurer Schrei aus der Menge. Price hatte mit einer letzten Kraftanstrengung Nana an den Zielpfosten geworfen und so Spirit um eine Kopflänge geschlagen.
    Ein Ruf, wie fernes Meeresbrausen, stieg aus der Menge empor. Nana ... Nana ... Der Schrei pflanzte sich fort und wuchs an mit der Heftigkeit eines Sturmes und erfüllte den Horizont von den Tiefen des Gehölzes bis zum Mont Valerien, von den Wiesen des Longchamps bis zur Ebene von Boulogne. Auf dem Rasen war eine wahnsinnige Begeisterung losgebrochen: Es lebe Nana. Es lebe Frankreich. Nieder mit England. Die Frauen schwangen ihre Sonnenschirme, die Männer hüpften und tanzten unter lauten Jubelrufen. Andere hatten ein nervöses Lachen und schwenkten die Hüte in die Luft. Das Publikum des Wiegeraumes auf der anderen Seite beantwortete diesen Jubel. Eine ungeheure Bewegung ging durch die Tribünen, ohne daß man genau etwas anderes hätte unterscheiden können als ein Zittern in der Luft, wie die unsichtbare Flamme eines Ofens. Oberhalb dieses ungeheuren Haufens von kleinen menschlichen Gesichtern ausgestreckte Arme, die schwarzen Punkte funkelnder Augen. Das nahm kein Ende, das pflanzte sich fort in den fernen Alleen und unter dem Volk, das unter den Bäumen lagerte, bis zur kaiserlichen Tribüne, wo man die Kaiserin klatschen sah. Nana ... Nana ... Nana ... der Schrei stieg bis zur herrlichen Sonne empor, deren goldiges Licht das Entzücken dieser Menge beschien.
    Da glaubte Nana, die auf dem Sitz ihres Landauers aufrecht stand und größer geworden schien, daß sie es sei, die von der Menge bejubelt wurde.
    In der Verblüffung über ihren Triumph stand sie einen Augenblick unbeweglich und betrachtete die Rennbahn, die jetzt von einer so dichten Menge überflutet war, daß man kein Gras mehr sah, nur ein Meer von schwarzen Hüten. Als die Menge sich aufgestellt hatte und eine lebendige Hecke beim Ausgang von der Bahn bildete, um nochmals Nana zu begrüßen, die mit Price im Sattel, langsam, mit hängendem Kopf wie gebrochen, hinausschritt, schlug sich die Dirne heftig auf die Schenkel, alles vergessend und triumphierend:
    Ah, Herrgott, ich bin es ja doch. Herrgott, welcher Schwung, welche Kraft.
    Da sie nicht wußte, wie sie die Freude, die ihr Inneres durchwühlte, übertragen sollte, packte sie Ludwig, dem sie in der Luft, auf der Schulter Bordenaves sitzend begegnete und küßte das Kind heftig.
    Drei Minuten vierzehn Sekunden, sagte Bordenave, seine Uhr wieder in die Tasche steckend.
    Nana hörte noch immer ihren Namen, der in der riesigen Ebene widerhallte. Ihr Volk jubelte ihr zu, während sie, im Sonnenschein stehend, mit ihrem goldgelben Haar und ihren weiß-blauen Kleidern herrschte. Jetzt kam Labordette und kündigte ihr

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