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Nana

Titel: Nana Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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Karoline Héquet war in ein tiefes Gespräch mit Labordette verwickelt. Sie stimmten in der Ansicht überein, daß Nana, ehe drei Monate herum seien, die Besitzung verkaufen werde, und Karoline riet Labordette, das Landgut unter der Hand preiswert zu erwerben. Vor ihnen fuhren Gaga, ihre Tochter und La Faloise, der vergebliche Anstrengungen machte, Gagas dicken Hals mit seinen Küssen zu erreichen, und sich darum begnügte, ihre Schulter zu küssen. Amélie wurde dieses Spieles müde und bat ihre Mutter, ein Ende zu machen. Im anderen Wagen saß Mignon mit seinen Söhnen und Lucy. Um vor Lucy zu prahlen, ließ Mignon seine Söhne Fabeln von La Fontaine rezitieren. Henri war darin sehr geschickt, er sagte seine Fabeln in einem Zuge her, ohne auch nur ein einziges Mal zu stocken. Voraus fuhren Tatan Néné und Maria Blond. Diese hatte sich die Zeit damit vertrieben, der dicken Tatan die dümmsten Geschichten einzureden, zum Beispiel, daß man in Paris aus Safran und Leim Eier mache; doch fand sie schließlich die Dummheit Tatans gar zu langweilig. Die Gesellschaft begann den Weg zu lang zu finden; die Frage: »Sind wir nicht bald am Ziel?« pflanzte sich von Wagen zu Wagen. Nana befragte ihren Kutscher, er hob sich dann im Wagen und schrie den andern zu:
    Noch ein Viertelstündchen. Die Kirche, die ihr da unten hinter den Bäumen seht ...
    Dann fuhr sie fort:
    Man sagt, die Besitzerin von Schloß Chamont sei eine Dame aus der Zeit Napoleons I ... Sie soll eine lustige Person gewesen sein, wie mir der Gärtner Josef erzählte, der es von den bischöflichen Dienstleuten weiß. Jetzt ist sie fromm und steckt immer bei den Pfaffen.
    Wie heißt sie? fragte Lucy.
    Madame d'Anglars, ich habe sie gekannt, rief Gaga.
    Die ganze Gesellschaft richtete sich in den Wagen auf, um Gaga zu betrachten. Gaga hatte die d'Anglars gekannt. Boshafte Fragen flogen hin und her, aber dennoch wurde Gaga bewundert.
    Jawohl, ich habe sie gekannt, obwohl ich damals sehr jung war. Man erzählte, daß sie bei sich zu Hause ekelhaft sei, allein, wenn sie in ihrem Wagen fuhr: sehr schick. Und Geschichten waren über sie im Umlauf, Geschichten von einem Schmutz, einer Ungeheuerlichkeit! ... Kein Wunder, wenn sie ein Schloß besitzt; im Handumdrehen hat sie einen Mann kahl gemacht. Ah, Irma d'Anglars lebt noch! Nun, sie muß ihre neunzig Jahre alt sein.
    Die Damen wurden plötzlich ernst. Neunzig Jahre! Keine von ihnen, meinte Lucy, sei so gebaut, um dieses Alter zu erreichen. Nana erklärte übrigens, sie wolle keine alten Knochen tragen. Man war am Ziel; das Gespräch mußte abgebrochen werden. Lucy allein sprach noch mit Nana, um diese zu überreden, daß sie am folgenden Tage mit ihren Gästen nach Paris zurückkehre. Die Ausstellung werde bald geschlossen; die Damen müßten sich beeilen, nach Paris zurückzukehren, wo die Saison alle Erwartungen übertroffen habe. Allein Nana weigerte sich; sie verabscheue Paris, sagte sie, und werde nicht sobald wieder das Pariser Pflaster betreten.
    Nicht wahr, wir bleiben, Kleiner? sagte sie, indem sie unbekümmert um Steiner Georges' Knie drückte.
    Die Wagen hielten. Die überraschte Gesellschaft stieg an einem verlassenen Orte am Fuße eines Abhanges aus. Einer der Kutscher mußte ihnen mit der Spitze seiner Peitsche die hinter Baumgruppen verborgenen Ruinen der alten Abtei von Chamont zeigen. Die Enttäuschung war allgemein. Die Damen fanden die Sache höchst langweilig: einige mit Moos überzogene Steinhaufen und ein halber Turm. Das lohnte wahrlich nicht die Mühe, einen Weg von zwei Meilen zu machen. Dann zeigte ihnen der Kutscher das Schloß, dessen Park in der Nähe der Abtei begann. Er riet ihnen, einen Fußpfad längs der Parkmauer einzuschlagen und so die Runde um das Schloß zu machen; das würde einen sehr schönen Spaziergang geben. Die Wagen würden die Gesellschaft im Dorfe erwarten.
    Der Vorschlag wurde angenommen.
    Irma wohnt da recht hübsch, rief Gaga, indem sie vor einem Gitter in einer Ecke des Parkes stehen blieb.
    Die andern traten auch hinzu und betrachteten das große Schloß, mit dem das Parkgitter versperrt war. Dann folgten sie dem Fußpfade längs der Parkmauer und bewunderten immer wieder die Bäume, deren hohe, reichbelaubte Äste in einer dichten grünen Wölbung die Mauer überragten. Nach ungefähr drei Minuten befanden sie sich vor einem andern Gitter; durch dieses sah man einen breiten Rasenplatz, in dessen Mitte zwei hundertjährige Eichen ihre breiten Schatten warfen.

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