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Naokos Laecheln

Naokos Laecheln

Titel: Naokos Laecheln Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Haruki Murakami
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helfe ich auch im Büro aus, also ist es schwierig zu unterscheiden, ob ich Patientin bin oder zum Personal gehöre. Hat Naoko Ihnen nicht von mir geschrieben?«
    Ich schüttelte den Kopf.
    »Hmm«, machte Reiko. »Naoko und ich teilen uns eine Wohneinheit. Ich wohne sehr gern mit ihr zusammen. Wir unterhalten uns viel, auch über Sie.«
    »Was sagen Sie beide denn über mich?« fragte ich.
    Reiko ignorierte meine Frage.»So, jetzt will ich Ihnen etwas über unser Erholungsheim erzählen. Als erstes sollten Sie verstehen, daß wir uns hier nicht in einer gewöhnlichen ›Klinik‹ befinden. Kurz gesagt, der Schwerpunkt liegt hier weniger auf Behandlung als auf Erholung. Es gibt natürlich einige Ärzte, die täglich ungefähr einstündige Sitzungen abhalten, aber sie beobachten eher den körperlichen Zustand der Patienten, messen die Temperatur und so weiter. Sie führen keine sogenannten aktiven Therapien durch wie andere Kliniken. Deshalb gibt es hier auch keine Gitterstäbe, und das Tor steht immer offen. Alle Patienten sind freiwillig hier und können jederzeit wieder gehen. Es werden nur Menschen aufgenommen, für die diese Art der Erholung ausreicht. Patienten, die einer besonderen Therapie bedürfen, müssen meist in eine Spezialklinik überwechseln. Bisher alles klar?«
    »Ungefähr. Aber worin besteht denn diese ›Erholung‹ konkret?«
    Reiko blies den Rauch aus und trank ihren Orangensaft aus. »Sie besteht eigentlich darin, daß man hier lebt. Ein geregelter Tagesablauf, Bewegung, Weltabgeschiedenheit, Ruhe, frische Luft. Durch unsere Felder sind wir beinahe Selbstversorger. Fernsehen und Radio haben wir nicht. Wir sind wie eine dieser modernen Kommunen. Der Unterschied zu einer Kommune besteht darin, daß es eine ganze Menge Geld kostet, hier zu sein.«
    »So teuer?«
    »Nicht übertrieben teuer, aber auch nicht billig. Es ist eine ausgedehnte Anlage. Das Grundstück ist groß, es gibt wenige Patienten und viel Personal. Mein Fall liegt etwas anders – ich bin schon sehr lange hier und bekomme eine Ermäßigung, weil ich fast zum Personal gehöre… Möchten Sie einen Kaffee?«
    Ja, gerne, sagte ich. Sie drückte ihre Zigarette aus, ging zur Theke und kam mit zwei Tassen, die sie aus einer Warmhaltekanne gefüllt hatte, zurück. Sie nahm Zucker, rührte um und trank mit gerunzelter Stirn.
    »Dieses Sanatorium ist kein gewinnorientiertes Unternehmen. Deshalb sind die Beiträge auch nicht übertrieben hoch. Das Gelände war eine Stiftung, für die eine Gesellschaft gegründet wurde. Bis vor etwa zwanzig Jahren war dies hier der Sommersitz des Stifters. Sie haben bestimmt die alte Villa gesehen?«
    Ich nickte.
    »Am Anfang war sie das einzige Gebäude auf dem Gelände, und früher fand dort die Gruppentherapie statt, mit der alles angefangen hat. Der Sohn des Stifters hatte psychische Probleme, und ein Facharzt empfahl ihm eine Gruppentherapie. Die Theorie dieses Arztes besagte, daß gewisse geistige Erkrankungen heilbar seien, wenn man die Patienten in einer Gruppe auf dem Land unterbringt, wo sie unter ärztlicher Betreuung gemeinsam körperliche Arbeit leisten. Allmählich wuchs das Projekt, die Gesellschaft wurde gegründet, die landwirtschaftliche Nutzung ausgedehnt. Das Hauptgebäude wurde vor fünf Jahren gebaut.«
    »Das heißt, die Therapie war erfolgreich.«
    »Ja, aber natürlich nicht bei allen Erkrankungen. Manche Patienten werden auch nicht gesund. Andererseits sind viele, denen es anderswo sehr schlecht ging, als völlig geheilt entlassen worden. Das beste an diesem Ort ist die gegenseitige Unterstützung, die wir einander geben. Gerade weil sich jeder seiner eigenen Unzulänglichkeit stark bewußt ist, herrscht großes Verständnis füreinander. Leider funktioniert es in anderen Einrichtungen nicht so. Da sind und bleiben die Ärzte Ärzte und die Patienten Patienten. Die Patienten suchen Hilfe beim Arzt, und der Arzt gewährt dem Patienten seine Hilfe. Hier dagegen helfen wir uns alle gegenseitig. Einer ist der Spiegel des anderen, und die Ärzte sind unsere Freunde. Sie behalten uns im Auge, greifen aber erst ein, wenn wir sie brauchen. Es kommt aber durchaus auch vor, daß Patienten dem Personal helfen. Ich gebe zum Beispiel einem der Ärzte Klavierunterricht, und eine andere Patientin bringt einer Schwester Französisch bei. So was eben. Viele Menschen, die unter solchen Problemen leiden wie wir, haben eine besondere Begabung. Hier sind alle gleich, die Patienten, das Personal – und

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