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Narr

Narr

Titel: Narr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Schilddorfer und Weiss
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… das Geheimnis gezeigt …« Jauerling holte röchelnd Luft. »Ich habe versucht, meine Fehler wiedergutzumachen, aber du und ich wissen beide, dass es zu viele waren. Ich war lange Jahre die schwarze Seite der Macht, wie es ein Kaiser einmal nannte, die rechte Hand des Teufels.« Jauerling lachte leise keuchend. »Und ausgerechnet der will mich jetzt nicht haben. Vielleicht mag er keine Krüppel.«
    Metternich wollte etwas sagen, aber der Zwerg hob unmerklich seine Hand vom Knauf des Stockes und der Kanzler wartete. Er schaute nachdenklich auf den verschrumpelten kleinen Mann, der in dem Lehnstuhl fast verschwand. Hatte ihn das Schicksal nicht genug gestraft? Ein brillanter Geist in einem bizarren Körper, der durch Zähigkeit und Disziplin nicht auf einem Jahrmarkt oder in einer Schaustellerbude gelandet war. Oder im Narrenturm.
    »Ich möchte hier begraben werden, Clemens, da vor dem Fenster.« Die Stimme Jauerlings klang wieder fester. »Ich hätte so gerne hinuntergeschaut auf Wien, ein letztes Mal, aber wir beide wissen, dass es sich nie erfüllen wird. Alles ist schwarz um mich, schwarz wie meine Seele.« Er machte eine Pause. »Du hast heute deinen größten Triumph gefeiert. Aber auch du wirst merken, dass es von ganz oben nur mehr abwärtsgehen kann. Ich werde nicht mehr da sein, aber du wirst an mich denken, wenn du fällst.«
    Jauerling verstummte und dann tat er etwas, zu dem ihn Metternich nicht mehr für fähig gehalten hatte. Er nahm den Knauf seines kleinen Stockes in eine Hand und packte mit der anderen die Holzhülle. Mit einem sirrenden Geräusch zog er ein blitzendes, dreieckig geschliffenes Florett aus dem Stock und hielt es dem Fürsten hin.
    »Und jetzt, Clemens, mach endlich Schluss«, flüsterte er, »ich will gehen.«
    Herrengasse, Innere Stadt/Wien, Österreich
    D ie Warnleuchten in der Einfahrt des Innenministeriums warfen ihre roten Lichtkegel in einem gespenstischen Rhythmus an die weiß gestrichenen Wände. Das rote Licht tanzte über die Helme der Polizisten und spiegelte sich in den dunklen Visieren der Männer, die in der schmalen Ausfahrt in Stellung gegangen waren. Ihre Anspannung war für jedermann spürbar. Die Nerven der Männer lagen blank.
    Als die Schranke in der Einfahrt hochschwenkte, rückte die Einsatztruppe Schild an Schild nach vorne. Gleichzeitig öffnete sich langsam und majestätisch das schwere Tor zur Herrengasse. Der Lärm der Demonstranten schwoll an, und die ersten schweren Wurfgeschosse prasselten gegen die Torflügel. Der Portier hinter seiner Glasscheibe zog instinktiv den Kopf ein und verschwand schließlich unter seinem Pult. »Warum haut der Alte nicht einfach durch den Hintereingang ab?«, zischte er kopfschüttelnd, griff zu seinem Handy und wählte.
    Der Anführer der drei Männer, die beim Café Central in sicherer Entfernung auf diesen Moment gewartet hatten, steckte sein Telefon wieder ein. »Das Zielobjekt verlässt den Bau wie geplant«, murmelte er zufrieden und wandte sich seinen Begleitern zu. »Es ist so weit. Tarnvorrichtung aktivieren und Abfangkurs eingeben«, befahl er mit einem diabolischen Lächeln im Gesicht, und alle drei zogen sich schwarze Gesichtsmasken über, bevor sie in Richtung Ministerium eilten und die Demonstranten in ihrem Weg rüde zur Seite schoben.
    Zur selben Zeit rollte die schwarze Limousine des Innenministers an, dem Chaos auf den Straßen entgegen. »Na bitte, alles geht, wenn man genug Schneid hat«, rief Fürstl aus und schlug mit der flachen Hand auf die Polster der Rücksitzbank. Sein langjähriger Chauffeur war entsetzt und beobachtete mit schreckverzerrtem Gesicht im Rückspiegel seinen Chef. Er betete inbrünstig, dass Fürstl es sich noch einmal überlegen und doch im Ministerium bleiben würde. Aber der Innenminister dachte gar nicht daran, dem Druck der Straße nachzugeben.
    Die Männer der Einsatztruppe stemmten sich verzweifelt mit ihren Schilden gegen die nach vorne drängenden Demonstranten. Eier und volle Joghurtbecher platzten auf ihren Helmen, Steine prallten von den Schilden ab. Vermummte sprangen mit vollem Elan gegen den Kordon aus Uniformierten, wurden niedergerungen, mit Plastikschleifen anstelle von Handschellen gefesselt und von Exekutivbeamten in den Hof des Ministeriums geschleift.
    »Lange halten die dem Ansturm nicht stand, Herr Minister«, gab der Fahrer zögernd zu bedenken.
    »Ach was! Das sind die harten Jungs und die anderen sind nur Zivilisten.« Fürstl winkte ab. Die Menge

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