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Nasenduscher: Roman (German Edition)

Nasenduscher: Roman (German Edition)

Titel: Nasenduscher: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tim Boltz
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Sitzen Platz zu nehmen. Wie von einer fremden Macht befohlen, zieht es ihn quer durch das gesamte Theater, über alle Treppen und Teppichkanten hinweg wankt er in die entlegensten Sitzreihen. Ich für meinen Teil begebe mich immer schon einige Minuten früher in das Theater und nehme einen strategisch günstigen Platz ein, von dem aus ich das gesamte Szenario überblicken kann.
    Die eigentliche Show beginnt schließlich bereits vor dem Hauptevent auf der Bühne. Dann, wenn die Unverbesserlichen Abend für Abend mit ihren Gehstöcken und Rollatoren die vorderen Reihen des Theaters stürmen wollen. Vielleicht befinden sich sogar einzelne Exemplare in der Meute, die gar nicht dorthin wollen. Doch der Herdentrieb der Greise drängt sie zu ihrer Wasserlochstelle in die vorderste Reihe. Und dann kommt er, der große und alles entscheidende Augenblick: Das Saallicht geht aus!
    Durch die plötzliche Dunkelheit überrascht verfallen die meisten in der Rentnerherde in eine Sekundenpanik, die sie im wahrsten Sinne des Wortes anfällig macht. Nachdem Dunkelheit eingetreten ist, vernimmt man die Abfolge eines immer gleichen Klangteppichs: der Krücken-Körper-Zweiklang . Ein Dominoeffekt des Stürzens. Zunächst ertönt das Geräusch von Metall, das aufeinanderfällt. Das kann wahlweise durch Krücken, Rollatoren oder ähnliche Gehhilfen erzeugt werden. Direkt darauf folgt der durch den Teppichboden leicht gebremste, dumpfe Aufschlag alten, menschlichen Fleischs.
    Im Anschluss folgen: Aufschrei der umliegenden Passagiere; Herbeieilen von diversen Gentlemen, die den gestürzten Damen und wie Schildkröten hilflos auf dem Rücken Liegenden wieder aufhelfen; Bestätigung vonseiten des gestürzten Greises, dass wirklich alles in Ordnung sei; und bei besonders dankbarem Publikum erfolgt hin und wieder sogar ein kurzer Applaus.
    Nie verletzt sich wirklich jemand. Es ist wohl wie so vieles in den Vereinigten Staaten: eine große Show. Die Greise haben wahrscheinlich vor ihrer Reise einen Crashkurs in Sachen Sturz- und Falltechnik in ihren Altersheimen besucht, nur um hier ein letztes Mal einige Sekunden im Rampenlicht zu stehen. Und sich vielleicht am Abend mit einem Eierpunsch bei den Gentlemen für ihre Hilfe zu bedanken. Clever. Vor allem der weibliche Greis. Sehr clever.

39
    I werd narrisch
    Ü ber Nacht passieren immer wieder fantastische Dinge. Wie von Geisterhand wird unser Schiff von einem Land in das nächste gehoben. Am darauffolgenden Tag liegen wir dann stets in einem neuen Hafen, sodass man sich fragen könnte, ob das Schiff denn wirklich fährt oder nur über Nacht der längsseitige Hafen schnell umgebaut wird und mit einem neuen Namen aufwartet. Heute ist es der Hafen der Holländischen Antillen. Besonders meine holländische Disneyfamilie dürfte hier auf ihre Kosten kommen. Wir befinden uns mitten in der Karibik, und doch können sie ihren Holzschuhtanz aufführen. Es sei ihnen gegönnt.
    Mein Tag beginnt mit Obstsalat und Pancakes. So langsam gewöhne ich mich an das Leben an Bord. Im Anschluss beschließe ich, kurz an Land zu gehen, um bei Hubsi wegen der Gläser nachzufragen. Also laufe ich über die Gangway auf den Pier und suche nach der nächsten überteuerten Telefonmöglichkeit für Schiffstouristen. Hier auf den Antillen macht sich der europäische Einfluss positiv bemerkbar, denn die Telefonkabinen sind in einem deutlich reinlicheren Zustand als die versifften Verschläge in Roatan. Ich wähle Hubsis Nummer, der schon nach einmaligem Klingeln abnimmt.
    »Grüß dich, Hubsi, ich wollte nur noch mal hören, ob mit den Gläsern alles geklappt hat.«
    »Mensch, Robert, endlich. A Schaaß hod geklappt. I konnt di jo ned erreichen. Dös mit dene Glaserln hod ned hinghauen.«
    »Was heißt das?«
    »De woarn leida scho wieda vakaaft, weils hoid im Angebot woarn.«
    »Das ist nicht dein Ernst, oder?«
    »Doch, wenn i dir dös sog.«
    »Aber ich habe Jana schon gesagt, dass ich sie gekauft habe.«
    »Bist deppert? Wie konnst dös sogn? Und was mach mer jetzt?«
    »Keine Ahnung. Ich brauch die bis nächste Woche. Da hat ihre Mutter Geburtstag.«
    »I hob aa Idee. Bleib grad dran. I ruf gschwind mit dem Handy im Laden o und frag obs de Glaserln bstellen können.«
    »Okay, super Idee, Hubsi. Danke.«
    Ich höre, wie er das Telefon zur Seite legt, und kann die Dollars geradezu durch die Leitung fließen sehen. Nach vier Minuten und einem Minikredit bei der Telefongesellschaft meldet sich Hubsi zurück.
    »Oiso, bass auf.

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