Nasenduscher: Roman (German Edition)
sein.
»Und?«, frage ich.
»Wie gesagt, ich bin kein Facharzt für Tiermedizin, aber ich denke, das Übergeben rührt nur daher, dass Ihr Kater einfach seekrank ist. Das müsste sich aber bessern, da wir nun in ruhigeren Gewässern fahren.«
»Okay. Und das andere?«
»Ja, das andere.« Dr. Bromsen fingert in Romeos Intimbereich umher. Bei so einem Kater hängt das Gemächt nun mal nicht so prominent im Schaufenster wie bei uns Menschen. Er betrachtet sich Romeos Penis ein weiteres Mal, dann zieht er die Augenbrauen nach oben. »Der Penis ist leicht gerötet und wund. Ich würde behaupten, dass sich Ihr Kater etwas eingefangen hat.«
»Was meinen Sie mit etwas eingefangen ?«
»Eine Geschlechtskrankheit. Wahrscheinlich so was wie einen Tripper.«
»Einen Tripper? Gibt’s denn so was bei Tieren?«
»Es sind Säugetiere. Warum sollten sie das nicht bekommen?«
»Ja, und jetzt?«
»Ich lege dem Kater eine Halskrause an, damit er sich nicht mehr lecken kann, und gebe Ihnen eine Salbe mit, die Sie zweimal täglich auf die betroffenen Stellen auftragen müssen.«
»Aber er hat einen Tripper. Das würde ja bedeuten, dass ich …«
Bromsen zuckt mit den Schultern, als wäre ihm das egal. Ist es vermutlich auch.
»… dass Sie Ihrem Kater den Penis einsalben müssen. Zweimal täglich für mindestens eine Woche. Dann sollte alles wieder in Ordnung sein.«
»Aber ich bin blind.«
»Vielleicht hilft Ihnen jemand von der Kabinencrew. Wenn Sie nett fragen. Ich kann das leider nicht für Sie übernehmen. Ich habe hier zu viel zu tun.«
Dr. Bromsen kramt etwas aus seinem Schränkchen, reicht mir eine Tube und drückt sie mir in die Hand.
»Sie haben hier tatsächlich eine Creme für Katerpenisse?«
»Wir haben hier Medikamente gegen Diabetes, Bluthochdruck und circa sieben verschiedene Cremes gegen Hämorrhoiden. Eine spezielle Creme für Katzentripper haben wir nicht, aber etwas, das ebenso gut wirken sollte. Es könnte höchstens sein, dass sich durch das Penicillin kurzzeitig Reaktionen bei Romeo zeigen. Veränderungen …«
»Und das heißt …«
»Hautirritationen. Müdigkeit. Sie sollten ihn auch von intensiver Sonneneinstrahlung fernhalten. Bis das Medikament wieder aus dem Körper gespült ist, könnte es bis zu einer Woche dauern.«
38
Die US-Stunt-Rentner
D ie nächsten Tage und Abende verlaufen weitestgehend nach einem ähnlichen Schema. Romeo versucht, sich um seine Halskrause herum zu lecken, ich creme einen wunden Katerpenis und niese dazu ungefähr achthundert Mal im Rhythmus eines Hürdenläufers. Dennoch habe ich nach den ersten Tagen an Bord einige Lösungen für die alltäglichen Kreuzfahrtprobleme gefunden. Zum Beispiel, wie ich mich sowohl mit meinen Tischnachbarn als auch mit meiner Toilettenspülung arrangieren kann. Zum Essen gehe ich nicht mehr in das vornehme Hauptrestaurant, sondern bevorzuge das Buffet im Rainbow Restaurant. Das beheimatet weitaus weniger ukrainische Gäste, und dank Gitte und Hajo ist es manchmal sogar richtig lustig. Außerdem verfügen die dortigen Toiletten über weitaus weniger Saugkraft als ihre großen Brüder in den Kabinen. Einzig für meine Multi-Allergie habe ich bislang keine Lösung gefunden. Das Tischsalz funktioniert nicht, und das Meersalz stellt auch keine wirkliche Option dar.
Die Abende verbringe ich meist unter starkem Alkoholeinfluss mit Tiff an der Bar oder in der letzten Reihe des Theaters. Man hat von hier aus den mit Abstand besten Rundumblick auf die Geschehnisse. Eigentlich ist es mittlerweile mehr eine Art Forschungsreise. Im Mittelpunkt meiner Beobachtungen steht eine Spezies, die jeden Abend im wahrsten Sinne des Wortes vom Aussterben bedroht ist: der Greis.
Meine bisherigen Forschungsergebnisse lassen sich folgendermaßen zusammenfassen. Egal ob Frankfurt, Miami, das Straßencafé um die Ecke oder eben auf einem Kreuzfahrtschiff: Der gemeine Greis agiert immer und überall nahezu deckungsgleich. Er begehrt gegen jedwede Art der Bevormundung auf. Vor allen Dingen die abendaktiven Exemplare zeigen sich besonders widerspenstig. So kann der Greis sich zum Beispiel nicht einfach auf die Sitzplätze niederlassen, die eigens für ihn im gut erreichbaren Eingangsbereich reserviert wurden. Diese unterscheiden sich weder in Form noch Farbe von den sechshundert weiteren Sitzplätzen des Theaters weiter vorn. Sie sind schlichtweg einfach nur besser zu erreichen. Doch der Greis denkt nicht einmal im Traum daran, auf den für ihn reservierten
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