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Nashville oder Das Wolfsspiel (German Edition)

Nashville oder Das Wolfsspiel (German Edition)

Titel: Nashville oder Das Wolfsspiel (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antonia Michaelis
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Worte mitten im Sturz und schluckte sie herunter.
    »Danke«, sagte Svenja.
    Sie stützte die Ellenbogen auf die Theke und sah Nashville an, ihre Gesichter waren jetzt auf gleicher Höhe. »Eines Tages«, flüsterte sie, »will ich auch einen Mann haben, der mir so eine Kette schenkt. Nein, eigentlich nicht. Eigentlich würde es reichen, wenn er sie mir schenken
wollte
. Ich will gar keinen Mann mit Geld.«
    Nashville hob die Hände und strich ganz vorsichtig mit den Zeigefingern über Svenjas Stirn, hinab über ihre Nase und ihre Wangen bis zum Hals. Es war eine seltsame Berührung, eine Gänsehautberührung von der falschen Person.
    »Ich kann es fühlen«, sagte er, die knochigen Hände an ihrem Hals. »Ich kann das Blut fühlen, das hier durchgeht. Wie bei Sirja. Da ist es, wo das Messer war.« Und dann, plötzlich: »Welche würdest du nehmen? Wenn du dir eine Kette aussuchen könntest?«
    Er nahm die Hände weg und sah sie aufmerksam an.
    Svenja versuchte, ehrlich über die Frage nachzudenken. »Ich glaube, die wertvollen sind gar nicht die schönsten«, sagte sie. »Die da drüben mit den bunten Glaskugeln, die leuchten wie ein Regenbogen. Die.« Sie sah eine Idee in seinen Augen aufblitzen. »Hör mal«, setzte sie hinzu. »Wir sind uns bei einer Sache doch einig, oder? In diesem Laden wird nichts geklaut. Nächste Woche Donnerstag könnte ich etwas von dem Geburtstagsgeld nehmen, das meine Mutter mir garantiert schickt, und die Regenbogenkugeln kaufen.«
    Nashville sah sie noch einen Moment lang an. Dann nickte er. Und dann schüttelte er den Kopf. Schließlich fuhr er sich über die Haare und fragte: »Ist das eigentlich blöd? Mit dem Pferdeschwanz?«
    »Nein«, sagte Svenja. »Das ist perfekt. Man sieht viel besser, wo du bist, wenn dir nicht ständig diese Haare ins Gesicht hängen. Du könntest sie allerdings mal waschen.«
    »Hm«, sagte Nashville und versank in eine Art stummes Brüten. Waschen war offenbar ein Schritt zu viel.
     
    Am Abend fand sie ihn auf dem Bett, auf dem sie gemeinsam schliefen – Nashville dicht an die Wand gepresst, Svenja auf der Seite, auf der man theoretisch herausfallen konnte, zwischen ihnen so viel Platz, dass es für mehrere andere Personen gereicht hätte. Er saß im Schneidersitz da und betrachtete einen kleinen Haufen Münzen, der vor ihm auf der Decke lag. Das einzige Licht im Raum kam von den beiden Kerzen auf den Fensterbrettern, und es ließ die Münzen wirken wie mittelalterliche Goldstücke.
    »Ist das alles, was übrig ist vom Zigarettenverticken?«, fragte Svenja, während sie ihre Jeans abstreifte, um in die zu weite alte Pyjamahose zu schlüpfen.
    »Ich hab nur den Gewinn behalten«, sagte Nashville. »Das Geld für die Zigaretten hab ich immer zurück in dein Portemonnaie gesteckt.« Er klang gekränkt, ein gekränkter kleiner Gauner.
    »Und? Was hast du mit dem Gewinn gemacht?«
    Er sah sie prüfend an. »Willst du nicht wissen.«
    Nein, will ich nicht.
    »Doch, will ich.«
    Er kletterte vom Bett und holte eine der Kerzen vom Fensterbrett. Damit ging er zu dem behäbigen, fehlbemalten Bauernschrank, stellte die Kerze ab und kniete sich hin, um das unterste von Svenjas Hemden herauszuholen – ein Hemd, das sie nie anzog, weil es nicht zu groß war, sondern ihr passte. Er legte es auf den Boden und faltete es mit beiden Händen auseinander, es war wie ein Ritual.
    Das Hemd war dunkelrot. Blutrot.
    Nein, das stimmte überhaupt nicht, dachte Svenja, es war lila. Auf dem Stoff lagen Nashvilles Messer. Es waren jetzt vier. Das vierte war kein wirkliches Messer. Es war ein kurzer Dolch, alt. Nashville strich mit dem kleinen Finger über die Klinge, und als er ihn wegzog, lief die feine, dunkle Linie eines Schnittes über seine Haut.
    »Klauen ging da nicht«, flüsterte er. »Er war in dem Antiquitätengeschäft, da oben, wo es zum Schloss geht. Er lag im Fenster. Er ist nicht alt-alt, nur gebraucht-alt. Er hat einen richtig guten Griff und genau das richtige Gewicht.« Er wog den Dolch in seiner Hand, machte dann eine rasche Bewegung und warf ihn hoch. Svenja schnappte nach Luft. Der Dolch drehte sich genau ein Mal, und er fing ihn wieder am Griff.
    »Wann hast du das geübt?«
    Nashville zuckte die Schultern.
    »Okay«, sagte Svenja leise. »Du hast hier also eine Sammlung an Messern, geerbt, geklaut, gekauft. Aber wozu?«
    »Um die Dunkelheit durchzuschneiden. Wenn einer kommt. Verstehst du?« Er krallte seine Hand jetzt so fest um den Griff des Dolchs,

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