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Natascha

Natascha

Titel: Natascha Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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die Koloraturen sie verfolgten, wo sie auch war.
    Am Abend aber traf sie Luka Nikolajewitsch Sedow. Mit seinem alten, klapprigen Wagen kam er von der staatlichen Forschungsstelle herüber, und immer hatte er etwas bei sich, was er Natascha fast verschämt schenkte. Eine Tafel Schokolade, ein neues Buch, ein Kopftuch aus Kasan, eine verzierte Ledermappe für ihre Noten, eine gehämmerte Vase aus Messing, die auf vielen Umwegen aus Indien bis nach Saratow gekommen war.
    Hand in Hand gingen sie an der vereisten Wolga spazieren oder fuhren mit einem Schlitten nach Süden, wo die Ausläufer der Steppe von Kasakstan bis an die Wolga reichten.
    Immer war Luka bei ihnen. Er lenkte den Schlitten, oder er humpelte auf seinem Gehgips zehn Schritte hinter ihnen her, wenn sie am Fluß spazierengingen. Sedow hatte sich schon daran gewöhnt, so sehr ihn das in den ersten Tagen störte.
    »Wenn er nun einmal stirbt?« fragte er einmal. »Was machst du dann?«
    »Ich weiß es nicht.« Natascha hob die Schultern. »Es ist unmöglich, mir ein Leben ohne Luka vorzustellen.«
    »Aber einmal wird es soweit sein, Natascha.«
    »Warum jetzt darüber reden, Luka Nikolajewitsch?«
    Sedow senkte den Kopf. Plötzlich fühlte er sich schüchtern. »Mir ist ein Gedanke gekommen … vielleicht ein ganz dummer, aber man sollte ihn einmal zu Ende denken … Du sagst, ein Leben ohne Luka kannst du dir nicht vorstellen …«
    »Nein …«
    »Ist es da nicht ein Glück, daß ich auch Luka heiße?«
    Natascha blieb stehen und sah ihn groß an. Sie bemerkte, wie er rot geworden war und unbeholfen wie ein Kind, das sich schämt.
    »Ich soll noch einen Luka nehmen?« fragte sie leise.
    Sedow hob die Schultern. »Wenn's … wenn's für dich gut wäre …«, stotterte er. »Ich könnte mir kein größeres Glück denken …«
    Natascha atmete tief auf. Dann stellte sie sich auf die Zehenspitzen und gab Sedow einen Kuß auf die zitternden Lippen. Als er sie umfangen wollte, wich sie zurück und hob abwehrend die Hand.
    »Vernünftig sollten wir sein, Luka Nikolajewitsch!«
    »Ich liebe dich, Natascha!« rief Sedow. »Ich habe dich von dem Augenblick an geliebt, wo du wie ein erfrorenes Vögelchen an meiner Brust lagst und ich dich wärmte. Von dieser Stunde an habe ich dich gesehen … überall, wo ich ging, sahen die Frauen aus wie du … vor vier Tagen schnauzte mich der Oberingenieur an, weil ich auf dem Reißbrett dein Gesicht, und nicht die Steuerung einer Rakete zeichnete … sehe ich ein Bild, so verwandelt's sich und du bist da … Natascha … ich bin krank, wenn ich dich nicht sehe, und ich breche zusammen, wenn ich daran denke, daß es dich einmal in meinem Leben nicht mehr geben sollte …«
    »Was soll nun werden?« Natascha setzte sich auf einen Baumstumpf und starrte über die breite, vereiste Wolga. »Ulan Högönö wird dafür sorgen, daß man dich weit weg versetzt, wenn er's erfährt!«
    »Alles kann er verbieten, alles! Aber nicht die Liebe!« rief Sedow. »Ich werde direkt nach Moskau schreiben. Gegen Moskau kann auch Högönö nichts unternehmen.«
    Irgendwo zwischen den Bäumen, zwanzig Meter entfernt, stand Luka. Er hatte den Kuß Nataschas gesehen, und nun war er sehr in Gedanken, was zu tun sei. Zwei Möglichkeiten gab's: Entweder man erkannte Sedow als den dritten Mann in Nataschas Leben an, was bedeutete, daß Sedow die Stelle Fedjas einnahm, was Luka sehr schmerzlich war, oder man nahm den Brustkorb dieses Menschen zwischen beide Hände und drückte ihn zusammen wie einen Blasebalg. Es würde dann ein paarmal knacken, aber die Probleme wären gelöst.
    Natürlich, dachte Luka. Auch Natascha ist ein Weib, verdammt! Man soll ihr gönnen, was den anderen Selbstverständlichkeit ist. Und jung ist sie noch, kommt jetzt in die Jahre, wo Liebe nicht mehr ein Spiel, sondern ein Genuß ist, den der Körper braucht. Vergessen hatte man das ganz in all den Jahren, wo's ums nackte Leben ging. Und eigentlich ist dieser Sedow gar kein übler Strolch … sieht aus wie Fedja – aber fast nur, beruhigte sich Luka –, ist ein höflicher, studierter Mann und verdient viele gute Rubelchen als Ingenieur. Ein Stimmchen kann man verlieren, aber ein Ingenieur wird immer gebraucht. Wenn man es so betrachtet, ist's gar nicht schlecht, sich mit Sedow gut zu stellen.
    »Ich werde selbst mit Ulan Högönö sprechen«, sagte Natascha, während Luka sinnierend zwischen den Bäumen stand und zu keinem vernünftigen Entschluß kam. »Er wird die Bedingung

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